piwik no script img

Wiederbesetzung des Köpi-Wagenplatzes in BerlinRuhe niemals in Frieden

Am Freitagabend besetzten Ak­ti­vis­t:in­nen das Gelände ihres ehemaligen Wagenplatzes. Die Polizei räumte nach vier Stunden.

„Rache ist süß“ steht auf dem Transparent am Zaun des wiederbesetzten Wagenplatzes Foto: Jonas Wahmkow

BERLIN taz | „If you evict our dreams, we will squat your nightmares“ – „Wenn ihr unsere Träume räumt, besetzen wir eure Alpträume“, steht auf einem Banner, das einige Ak­ti­vis­t:in­nen am frühen Freitagabend gerade an den aus Blechen zusammengezimmerten Zaun des ehemaligen Køpi-Wagenplatzes aufhängen. Auf den Tag genau sechs Monate ist her, seitdem das linksautonome Projekt von der Polizei geräumt wurde; seitdem verbirgt sich hinter dem imposanten Zaun keine Ansammlung von Wohnwagen, sondern eine Brache, die von Security-Mitarbeitern bewacht wird.

Auf einmal geht es ganz schnell: Rund ein Dutzend schwarz vermummte Personen drängen von allen Seiten auf die Brache. Einige hämmern von der Straße auf den Zaun, andere dringen von anderen Stellen auf den Platz ein. Von der gegenüberliegenden Straßenseite werden Feuerwerkskörper gezündet. Der anwesende Security-Mitarbeiter verlässt das Gelände.

„Wir sind hier, um zurückzufordern, was uns gehört“ heißt es in einer Erklärung der Besetzer:innen, „uns kann man nicht einfach räumen und unter den Teppich kehren, als würde es uns nicht geben.“ In den ersten beiden Stunden der Besetzung ist die Polizei kaum präsent, die Ak­tivs­t:in­nen nutzen die Zeit, um Barrikaden zu bauen und die Brache mit Zelten und einer Feuertonne wohnlich einzurichten. Es werden weitere Transparente aufgespannt, über den Zaun schallt dumpfer 90er-Jahre-Trash.

Mitte Oktober 2021 wurde der Køpi-Wagenplatz von einem Großaufgebot der Polizei geräumt. Rund 30 Menschen wohnten bis dahin auf dem Gelände, das an das gleich nach der Wende besetzte Haus Köpenicker Straße 137 grenzt. Der Wagenplatz und das 1991 legalisierte Hausprojekt stellten zusammen einen wichtigen Bezugspunkt der linken Szene dar.

Räumung für Leerstand

Das Wagenplatz-Gelände gehört mutmaßlich dem dubiosen Immobilienunternehmer Siegfried Nehls, der sich hinter einem Firmengeflecht versteckt. Was der Eigentümer mit dem Gelände genau vorhat, ist unklar – die Ak­ti­vis­t:in­nen befürchten, dass es als Spekulationsobjekt Jahre leerstehen wird. In der Erklärung weisen sie darauf hin, dass auch die Räume anderer in den letzten Jahren geräumter Projekte, wie die Meuterei und das Syndikat, immer noch leer stünden. „Es ist offensichtlich, dass die Taktiken der letzten Jahre darauf abzielen, unsere Bewegung aus ihren Wurzeln zu heben und uns zu ermüden“, so die Aktivist:innen.

Dabei weisen die Ak­ti­vis­t:in­nen auf die Gebäuderuine neben dem Køpi-Haus hin. Vor 23 Jahren musste dafür schonmal ein Wagenplatz weichen. Ein Investor wollte dort ein Seniorenheim errichten – bis er 2007 pleite ging. Seitdem rottet das halbfertige Gebäude vor sich hin. Der neue Eigentümer nutzt die Ruine vor allem als lukrative Wertanlage.

Never Rest in Peace

Die Besetzung steht seit über zwei Stunden, mitterweile haben sich vor dem Wagenplatz über fünzig Un­ter­stüt­ze­r:in­nen eingefunden. Einige der Be­set­ze­r:in­nen sind auf Bäume geklettert, um die Räumung des Platzes zu erschweren.

Doch gegen 22 Uhr gelingt es den Beamt:innen, sich Zugang zum Platz zu verschaffen. Die Straße wird gesperrt, auch die Kundgebung wird abgetrennt. Mehrere Be­set­ze­r:in­nen werden festgenommen.

„Never Rest in Peace“ – „Ruhe niemals in Frieden“, hieß es im Oktober nach der ersten Räumung. Auch wenn sie ihr altes Zuhause nicht zurückgewinnen konnten, wenigstens dieses Versprechen konnten die Ak­ti­vis­t:in­nen einlösen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

8 Kommentare

 / 
  • @DIMA

    "Wird wohl nicht". Gleich zwei Mal. Also doch nur Vermutungen von Ihnen. Dachte ich mir.

    @RUDOLF FISSNER

    "Sogar" stammt von @DIMA. Zitieren Sie bitte richtig.

    So, jetzt habe ich genug geschlaumeiert. Musste aber sein :^)

  • @DIMA

    Und? Was meinen Sie mit Gewalt? Die Feuerwerkskörper?

    • @tomás zerolo:

      Wieso "sogar"?

      Feuerwerkskörper sind, wie man Silvester in den Krankenhäusern sehen kann, alles andere als harmlos, das sind keine "Sonderoperationen" ohne Gewaltbezug über die man machomäßig herablassend lächelt "Achgottchen. Fühlen Sie sich ungerecht behandelt? Sie tun mir aber leid."

    • @tomás zerolo:

      Der Mann der Security wird nicht einfach so seinen Posen verlassen haben.

      Und nur auf Bitten der Besetzer wird er auch nicht gegangen sein. Angeblich wurden sogar Steine geworfen. Im Zweifel reichen für eine Nötigung sogar Feuerwerkskörper.

  • @DIMA

    Achgottchen. Fühlen Sie sich ungerecht behandelt? Sie tun mir aber leid.

    • @tomás zerolo:

      Nö, ich bin ja nicht persönlich betroffen. Nur bisher sollte das Ganze ja angeblich ach so gewaltlos ablaufen.

  • Es ist halt nicht so das wenn mann sich was nimmt das es einem dann gehört. "Wir sind hier, um zurückzufordern, was uns gehört" könnte auch von Putin sein.

  • Die Aktivisten schrecken nicht einmal mehr vor Nötigung zurück.