Wiederaufbau der Garnisonkirche: Wackeliger Kompromiss
Der Konflikt um den Wiederaufbau der Potsdamer Garnisonkirche scheint doch nicht beigelegt. Verlierer könnten die Kreativen in der Nachbarschaft sein.
Im Dezember hatte Schubert mit der Stiftung für den Wiederaufbau als Eigentümerin des Grundstücks und den Nutzern des benachbarten Kreativhauses einen Kompromiss ausgehandelt. Das Ergebnis verkündete er gemeinsam mit dem Kuratoriumsvorsitzenden der Stiftung, Altbischof Wolfgang Huber. Statt des Kirchenschiffes sollte ein sogenanntes Haus der Demokratie mit einem neuen Plenarsaal für die Stadtverordneten und weiteren öffentlichen Nutzungen entstehen.
Das Kreativhaus in einem alten Verwaltungsgebäude eines Rechenzentrums aus der DDR-Zeit sollte nicht – wie bis dahin eigentlich geplant – abgerissen, sondern weitgehend erhalten werden. Das Grundstück wollte die Stadt von der Stiftung, der sie es vor Jahrzehnten geschenkt hatte, zurückpachten.
Den Plan setzte Oberbürgermeister Schubert anschließend in der Stadtverordnetenversammlung in einer Kampfabstimmung durch. Das künftige Ensemble soll „deutlich den Bruch mit der architektonischen Sprache und Geschichte“ von Turm und Rechenzentrum ausstrahlen, heißt es im Beschlusstext. Nun wird erst mal eine Machbarkeitsstudie erstellt und anschließend ein Architektenwettbewerb.
Doch die Reaktion ließ nur etwas auf sich warten. Es brodelte in der Fördergesellschaft, sozusagen dem Ultra-Fanclub der Wiederaufbaustiftung, die auch einen Sitz im 15-köpfigen Kuratorium der Wiederaufbaustiftung hat. Ihr Vorsitzender Matthias Dombert hatte nämlich den Kompromiss mit Schubert ausgehandelt und verteidigt.
„Wagemut und Gottvertrauen“
Im Frühjahr kam es zum Umsturz. Der neue Vorstand erhebt nun wieder Maximalforderungen und träumt auch vom Wiederaufbau des Kirchenschiffs. „Wir werden deutschlandweit für den Wiederaufbau mit Wagemut und Gottvertrauen werben und rufen die ökumenische Christenheit auf, uns beim Wiederaufbau der Garnisonkirche zur Ehre Gottes tatkräftig zu unterstützen“, so der Verein.
Bisher flossen die Spenden allerdings nur spärlich. Der Großteil des rund 41 Millionen Euro teuren Turmbaus wird schon aus Steuergeldern finanziert. Vor allem die frühere Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU), der mit dem Regierungswechsel Claudia Roth (Grüne) nachfolgte, hatte Zuschüsse in Millionenhöhe für das „Projekt von nationaler Bedeutung“ durchgesetzt. Dennoch steht die Stiftung finanziell auf dünnem Eis. Deshalb soll nun die Evangelische Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz eine Million Euro zuschießen, um den Betrieb für dieses und nächstes Jahr zu sichern.
Unterdessen ist immerhin der Rohbau des Turms fertig. Auf 57 Metern Höhe soll eine Aussichtsplattform entstehen. Die Stiftung plant Eröffnung und Inbetriebnahme Anfang 2024. Der Bau der 23 Meter hohen Turmhaube aus Holz und einer Metallkonstruktion muss noch ausgeschrieben werden. Doch auch dafür ist die Finanzierung noch nicht gesichert. Denn nach einem kritischen Bericht des Bundesrechnungshofes hatte Roth eine weitere Förderung in Höhe von 4,5 Millionen Euro auf Eis gelegt. Eine Entscheidung steht noch aus.
Kürzlich ging mit dem Kommunikationsvorstand Wieland Eschenburg auch ein führender Kopf der Stiftung selbst auf Distanz zum Kompromiss. In einem Interview mit den Potsdamer Neuesten Nachrichten sagte Eschenburg, für ihn sei dies kein Kompromiss, sondern nur ein „Vorschlag“, über den man nun sprechen müsse. Den Erhalt des Rechenzentrums lehnte Eschenburg ab.
Die Uhr tickt
Für die Nutzer des Rechenzentrums tickt die Uhr. Rund 200 Künstler und Kreative nutzen den Bau. Ende 2023 endet die Nutzungserlaubnis der Bauaufsicht. Außerdem steht das Gebäude teilweise auf dem Grundstück der Wiederaufbaustiftung. Der Druck für eine Lösung dürfte wachsen. Denn der eigentlich von der Stadt als Ersatz vorgesehene Bau eines Kreativquartiers in der Nachbarschaft verzögert sich. Zwar ist im Mai die Baugenehmigung erteilt worden. Doch die Investoren rechnen mit einer Fertigstellung des ersten Bauabschnitts erst im dritten Quartal 2024.
Turm Der im Krieg schwer zerstörte Turm war auf Anweisung der DDR-Führung 1968 gesprengt worden. Im Sommer 2017 übernahm Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier die Schirmherrschaft über den Wiederaufbau.
Stiftung Im Kuratorium der Stiftung sitzen Brandenburgs Ex-Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD), die Vorsitzende der Synode der Evangelischen Kirche und ehemalige Bundesbauministerin Irmgard Schwaetzer, als Vorsitzender Altbischof Wolfgang Huber.
Spender Für den Wiederaufbau hat etwa der TV-Moderator und Wahl-Potsdamer Günther Jauch 1,5 Millionen Euro springen lassen. (mar)
Geplant sind dort sieben Gebäude mit Büros, Ateliers, Läden, Musikproberäumen, Cafés, Restaurants und Apartments mit insgesamt 25.000 Quadratmetern Mietfläche, zwei Drittel davon für die Kreativwirtschaft. Das Grundstück hatte die Stadt vergünstigt abgegeben und im Gegenzug niedrigere Mieten vereinbart.
Und nach längerer Pause hat das Thema Garnisonkirche nun auch wieder Demonstrant*innen mobilisiert. In der vergangenen Woche versammelten sich rund 80 von ihnen auf dem Luisenplatz in der Potsdamer Innenstadt und zogen dann zur Baustelle des Garnisonkirchturms in der Breiten Straße weiter. Sie forderten einen Baustopp für den Kirchturm. „Mit der Demonstration mahnen wir die Evangelische Kirche, endlich Verantwortung für das gescheiterte Garnisonkirchenprojekt zu übernehmen“, hieß es.
Anlass war ein Prozess vor dem Potsdamer Amtsgericht. Drei Angeklagten aus Potsdam wurde die Störung der Religionsausübung und einem Angeklagten zudem Hausfriedensbruch vorgeworfen. Sie sollen am 29. Oktober 2017 einen Gottesdienst auf dem Areal der Baustelle des Garnisonkirchturms gestört haben. Doch die Sache löste sich zwei Tage später auf: Das Gericht stellte das Verfahren mangels öffentlichen Interesses ein.
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