Wieder im Kino: Bewegte Straßen
Berlin als Filmset, die vielleicht berühmteste Verfolgungsszene der Filmgeschichte und Leben im Leerlauf sind diese Woche zurück auf der Leinwand.

D ie Großstadt, das war im deutschen Kino der späten 1920er Jahre selbstverständlich Berlin. Die große Stadt stellte den – noch längst nicht überall selbstverständlichen – Sprung in die Moderne dar: mit Menschenmassen und wogendem Verkehr sowie den vielfältigen Verlockungen von Konsum und Nachtleben. Einen der filmischen Klassiker jener Tage schuf der aus Österreich stammende Regisseur und Produzent Joe May mit dem Melodram „Asphalt“, das er 1929 mit großem technischen Aufwand für die UFA inszenierte.
„Asphalt“ erzählt von der Begegnung eines biederen Wachtmeisters (Gustav Fröhlich) mit einer glamourösen Diebin (Betty Amann), deren Verführungsstrategie er definitiv nicht gewachsen ist. Dabei dominiert die Studiokulisse, lediglich für die erste Szene nach dem Vorspann begab sich Kameramann Günther Rittau direkt auf die Berliner Straßen und fing in dynamischen Fahrten mit verkanteten Perspektiven Bilder von Autos, Straßenbahnen, Werbetafeln und Passanten ein.
Für die anschließenden Szenen ließ der Filmarchitekt Erich Kettelhut im UFA-Atelier in Neubabelsberg jedoch ganze Straßenzüge eines fiktiven Berlins errichten: glamouröse Geschäftsstraßen, bevölkert von einem dynamischen Gewimmel aus Menschen, Autos und Omnibussen, stets illuminiert vom Licht der Leuchtreklamen und der Schaufenster.
Die enorme Beweglichkeit der Kamera in diesen Atelierszenen wurde seinerzeit ermöglicht durch einen neuartigen fahrbaren Aufnahmeturm mit Fahrstuhl, in dem der Kameramann seinen Platz hatte. „Asphalt“ wird im Rahmen von „Arsenal on Location“ im Klick Kino gezeigt, zu Gast ist mit Milena Gregor die Programmkoordinatorin des Kinos Arsenal. Die musikalische Begleitung übernimmt Eunice Martins am Klavier (16.7., 20 Uhr, Klick Kino).
Im Kino hinterm Steuer
Die zentrale Sequenz des Polizeithrillers „Bullitt“ (1968) von Peter Yates ist natürlich die aufregende, rund zehnminütige Autoverfolgungsjagd durch San Francisco, bei der die Rollen von Verfolgtem und Verfolgern zwischenzeitlich wechseln: Lieutenant Frank Bullitt (Steve McQueen, der „King of Cool“) gelingt es irgendwann, sich in seinem Ford Mustang hinter die auf ihn angesetzten Killer in ihrem Dodge Charger zu setzen. Dabei wird das rasante Auf und Ab auf den hügeligen Straßen nahezu physisch erfahrbar.
Doch auch sonst besitzt „Bullitt“ Qualitäten als ambitionierte Charakterstudie eines einsamen und kühl agierenden Polizisten, der es jedoch stets versteht, mit seinen Blicken ein wortloses Einfühlungsvermögen etwa mit den Angehörigen von Opfern an den Tag zu legen (10.7., 20.30 Uhr, Yorck Kino).
Irgendwo im Alltag
Sofia Coppolas großes Talent als Regisseurin ist die Inszenierung einer dramatischen Ereignislosigkeit, die sich ergibt, weil ihre Protagonist:innen in sehr spezifischen Lebenssituationen an der Entfaltung ihrer Persönlichkeit gehindert werden: Das galt für die Schwestern in „The Virgin Suicides“ mit ihren fanatisch religiösen Eltern, für die französische Königin in „Marie Antoinette“ mit den absurden Routinen des Hofprotokolls, oder auch für Priscilla Presley, ihres Zeichens Anzieh- und Vorzeigepuppe in Graceland, dem Hof des Rock ’n' Roll-Kings Elvis.
Und es gilt auch für den Filmstar Johnny Marco (Stephen Dorff), der sich in „Somewhere“ (2010) eingestehen muss, ein Leben des absoluten Leerlaufs zu führen, aus dem ihn zwischenzeitlich nur eine Begegnung mit seiner mittlerweile 11-jährigen Tochter (Elle Fanning) reißt, die allemal erwachsener wirkt als er selbst. Und die einer realen Welt entstammt, in der man sich auch sein Mittagessen mal selbst brutzeln kann (15.7., 21.30 Uhr, Il Kino).
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