Wieder im Kino: Kein patriotisches Beispiel
Das Babylon Mitte würdigt Alfréd Deésy, das Filmusseum Potsdam den britischen Humor, und auch „Die letzten Glühwürmchen“ ist wenig kriegsbegeistert.
![](https://taz.de/picture/7513894/14/hSyehsFm6E-the-life-and-death-of-colonel-blimp-24-1.jpeg)
I n den Tagen des Stummfilms gehörte Alfréd Deésy zu den bekanntesten und produktivsten Regisseuren Ungarns. Dass ihn heute kaum mehr jemand kennt, liegt einerseits an der hohen Verlustrate bei Filmen aus jener Zeit, aber andererseits auch daran, dass Deésy anders als viele seiner Zeitgenossen nicht emigrierte: Michael Curtiz, Alexander Korda, Emeric Pressburger und André de Toth machten sich später in der amerikanischen und britischen Filmindustrie einen Namen und wurden auf diese Weise auch international berühmt.
Erhalten hat sich von Deésys Regiearbeiten unter anderem „A halál után“ („After Death“) aus dem Jahr 1920, eine Verfilmung des Romans „L'homme qui revient de loin“ von Gaston Leroux, dem Autor von „Das Phantom der Oper“. Das französische Sujet war bewusst gewählt, denn der Film wurde auch mit Blick auf den ausländischen Markt produziert – praktisch eine Notwendigkeit im Rahmen all der Umwälzungen, die sich nach dem verlorenen gegangenen Ersten Weltkrieg seinerzeit in Ungarn vollzogen.
Ähnlich wie „Das Phantom der Oper“ verknüpft auch „A halál után“ Liebesgeschichte und Kriminaldrama geschickt mit übersinnlichen Aspekten: André liebt die junge Márta, die jedoch einem anderen Mann versprochen ist. Als die Liebenden inflagranti erwischt werden, lässt sich André dazu nötigen, in die USA zu emigrieren.
Seine Fabrik vertraut er seinem jüngeren Bruder an: Sollte André drei Jahre lang nicht von sich hören lassen, wird alles Jacques gehören. In der Folge bleibt André verschwunden – ehe er fünf Jahre später bei einer Séance als „Geist“ erscheint und behauptet, ermordet worden zu sein.
Die Restauration des Films erfolgte erst kürzlich als internationale Gemeinschaftsarbeit: Die einzige erhaltene Kopie stammt aus der Cinémathèque royale de Belgique, die Cinémathèque française sorgte für den Soundtrack und das National Film Institute Hungary für die digitale Restauration. Im Babylon Mitte läuft der seltene Film im Rahmen der Reihe „Hungaricum“ bei freiem Eintritt als „Stummfilm um Mitternacht“ mit Anna Vavilkina an der Kinoorgel (8.2., 23.59 Uhr, Babylon Mitte).
Einen höchst ungewöhnlichen „Propagandafilm“ schufen Michael Powell und Emeric Pressburger mit „The Life and Death of Colonel Blimp“, in dem sie mitten im Zweiten Weltkrieg britischen Sportsgeist karikierten und zugleich eine lebenslange Freundschaft der Hauptfigur Major Clive Candy (Roger Livesey) mit dem deutschen Leutnant Theo Kretschmar-Schuldorff (Adolf Wohlbrück) in den Mittelpunkt der Geschichte stellten.
Offiziellen Stellen gefiel das seinerzeit gar nicht. Dabei ist der mit Charme und Humor komplex erzählte und in wundervollem Technicolor gedrehte Film ein Kinoereignis, das seinesgleichen sucht und vom Filmmuseum Potsdam in der Reihe „Film ohne Streifen – Digitalisierte Klassiker“ präsentiert wird.
Ebenfalls auf dem Programm steht der Dokumentarfilm „Made in England: The Films of Powell and Pressburger“ (2024), in dem Regisseur David Hinds die Geschichte des Autoren/Regie-Duos aufrollt, während Martin Scorsese als Präsentator ihren Einfluss auf seine eigenen Filme erläutert (The Life and Death of Colonel Blimp, 7.2., 20.30 Uh; Made in England: The Films of Powell and Pressburger, 7.2., 18 Uhr, 11.2., 17 Uhr, Filmmuseum Potsdam).
Ebenso erstaunlich für einen „Kinderfilm“ ist das Thema des 1988 entstandenen Films „Die letzten Glühwürmchen“ vom Studio Ghibli-Mitbegründer Isao Takahata: Im Japan des Zweiten Weltkriegs versuchen der Teenager Seita und seine kleine Schwester Setsuko sich in einer Trümmerwüste allein durchzuschlagen – und scheitern.
Dass das Anime hervorragend in die „Filmreihe #2030“ mit Werken zu den UN-Nachhaltigkeitszielen passt, liegt an der Erzählperspektive: Während die Erwachsenen nur mit sich selbst beschäftigt sind, versucht Seito trotz der lebensbedrohlichen Misere der kleinen Schwester ein kindgerechtes Leben zu ermöglichen (7.2. 18 Uhr, Delphi Lux).
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