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Wie wir Hoffnung kommunizierenErlebe Gutes und rede darüber

Wir machen etwas falsch, wenn wir unsere Freuden und Erfolge für uns behalten. Denn wie wir die Welt darstellen, verändert auch die Welt.

Wir sind bunt und mehr und reden darüber – gerade auch in W'Bach! Foto: picture alliance/dpa | Arne Dedert

I ch hatte mal eine Signal-Gruppe mit Freundinnen, die sich nicht mehr so oft sahen und trotzdem miteinander Alltag teilen wollten.

Tägliche Herausforderungen, lustige Begebenheiten und Arbeitsanekdoten wurden in die Gruppe gepostet. Irgendwann ist sie gekippt. Unser Chat war zu einer Beschwerdestelle geworden. Zu einem Stress-Dump und Frustabladungs-Punkt. Es gab keine Bilder mehr von Geburtstagstorten und Spaziergängen. Statt Memes dominierten Links auf Schreckensmeldungen aus Natur und Politik.

Auf „habt ihr schon gelesen, dass…“ folgte nie etwas Gutes. Dazu kam persönlicher Frust. Ich glaube, irgendwann war ein Punkt erreicht, ab dem sich keine von uns mehr traute oder nur auf die Idee kam, von den guten Seiten des Lebens zu berichten.

Wenn die erste erzählt, dass sie diese Wohnung wieder nicht bekommen hat, die zweite, von ihrer Krankheit, die dritte, dass sie auf der Straße rassistisch attackiert wurde… kann die vierte dann noch etwas von ihrem guten Tag erzählen?

Klappt wirklich nichts mehr?

Vielleicht behält man dann die bestandene Prüfung oder das schöne Date lieber für sich – oder teilt die eine Sache, die nervig war und erzählt statt von der guten Prüfung vom verspäteten Zug nach Hause: „Nichts klappt mehr bei der Bahn“.

Dieser Dynamik waren wir eine ganze Weile verfallen, bis eine von uns fragte: „Passiert euch eigentlich auch mal was Schönes?“ Mich hat erschreckt, dass ich diese Intervention brauchte, um zu verstehen, was sich bei uns entwickelt hatte. Seitdem bemühe ich mich, meine Kontexte auf diese Dynamik hin zu überprüfen.

Ich bin kein Fan dieser bemühten Gute-Nachrichten-Seiten; und ich teile diese Erfahrung nicht, weil ich dagegen bin, Wut und Frust zu teilen. Oder, weil ich finde, wir sollten weniger über Probleme reden. Ich habe viele Freun­d*in­nen und Verbündete gefunden, weil wir uns gemeinsam über etwas aufgeregt haben. Viel Positives entsteht aus Protest.

Trotzdem und vielleicht auch deshalb ist es eine Entscheidung, welchem Teil der Erzählung wir mehr Raum geben. Zeige ich Bilder von einem Nazi-Aufmarsch und beschreibe detailliert deren Auftreten und Forderungen oder berichte ich vom lauten, bunten und vielleicht auch zahlenstärkeren Gegenprotest?

Die eigene Position stärken

Ich kann die Öffentlichkeit darauf aufmerksam machen, dass ein Rassist ein rassistisches Buch geschrieben hat, oder diese Aufmerksamkeit antirassistischen Texten oder Au­to­r*in­nen of Color zukommen lassen. Auf dem Platz, auf dem steht, wie männerdominiert das Theater ist, könnte auch die Arbeit besprochen werden von Leuten, die keine cis Männer sind.

Mein Eindruck ist, dass einiges an Zeit, die man damit verbringt, sich an rechten Positionen abzuarbeiten, besser genutzt wäre, eigene Themen zu setzen und die eigene Position zu stärken. Gerade online kommt man nicht hinterher, Nazikommentaren und Fake News zu widersprechen. Und wenn man es tut, gibt man dem jeweiligen Ursprungspost noch Reichweite.

Ich möchte die Energie hier abziehen und sie mehr in Themen, Aussagen und Menschen stecken, die meine Werte teilen. Die versuchen, Gutes zu bewirken und von denen ich etwas lernen kann. Geteiltes Leid ist halbes Leid und Leid teilen funktioniert in meinem Umfeld sehr gut. Wir können aber keine doppelte Freude haben, wenn wir unsere Freuden und Erfolge für uns behalten.

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Simone Dede Ayivi
Simone Dede Ayivi ist Autorin und Theatermacherin. Sie studierte Kulturwissenschaften und ästhetische Praxis in Hildesheim. Aktuell arbeitet sie zu den Themen Feminismus, Antirassismus, Protest- und Subkultur.
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