■ Wie gut sind deutsche Autos wirklich? Und deutsche Frauen?: Bericht eines Forschungsreisenden
Im Jahre 1998 bereiste ich Deutschland. Dabei verfolgte ich zwei Ziele. Erstens: ein deutsches Auto zu kaufen, denn die haben bei uns in Rußland einen guten Ruf – zuverlässig, gepflegt und halten lange. Mein zweites Ziel war festzustellen, wie deutsche Frauen im Bett sind. Ich hatte noch nie eine Romanze im Ausland und bekam von Freunden ständig die wildesten Geschichten zu hören. Die meisten davon glaubte ich aber nicht und wollte mir jetzt eine eigene Meinung bilden.
Die Erste
Ich hatte ausreichend Zeit, genug Geld und eine Stange mit russischen Kondomen dabei. Die Dinger werden bei uns von Generation zu Generation vererbt, von den Vätern auf die Söhne. Sie sind zwar schwieriger überzustreifen, dafür haben sie Witz und sehen ungeheuer sexy aus.
Meine erste Station war Berlin. Dort, in einer Bierkneipe, lernte ich meine erste deutsche Freundin kennen. Sie saß allein am Tresen, und ich konnte den Blick nicht von ihr lassen. Bald kam sie näher. Unsere Bekanntschaft schien mir hinterher zwar etwas leichtfertig, andererseits konnte ein derart schnelles Interesse mit dem eben erwachten Instinkt erklärt werden und sprach für die Spontaneität sowie für den Mut der Frau. Als wir zusammen an einem Tisch saßen, fühlte ich keinen Schimmer von Verantwortung daraus folgen. Wir kamen ins Gespräch. Meine neue Freundin hieß Tina und arbeitete als Schreibkraft in einem Büro. Sie war 28.
Als der Wirt Feierabend machen wollte, verließen wir die Kneipe. Sie hatte eine kleine, aber sehr gemütliche Wohnung mit viel Komfort und einer Einbauküche.
Tina erzählte mir, wie unglücklich sie sei. Sie erzählte, daß sie mit ihrem Land, ihren Mitmenschen und ihren Eltern nicht klarkomme, daß sie sich fremd und einsam fühle. Ich merkte, daß Tina eine besondere Empfindlichkeit für Gerüche und Töne besaß. Als wir ins Bett gingen, genoß sie das sexuelle Beisammensein und fand Geschmack am Liebesspiel. Während des Geschlechtsaktes unterhielten wir uns, stießen kurze Zwischenrufe aus und machten diesen oder jenen Kommentar. Die russischen Kondome beeindruckten Tina nicht. Ich konnte keinerlei Abweichungen zu russischen Frauen bei ihr feststellen. Mein Schlaf war sehr unruhig. Das Bett war zu klein. Im Halbschlaf fiel ich heraus und schimpfte. Tina brauchte Fürsorge und Zuwendung, zumindest erwartete sie es.
Ich war aber viel mehr mit meinem neuen Gebrauchtwagen, einem Volkswagen Jetta, beschäftigt, den ich am ersten Tag in Berlin leichtsinnigerweise gekauft hatte. Das Auto sah zuverlässig aus, sprang jedoch nicht immer an. Entweder war es der Vergaser oder der Zündverteiler. Außerdem wollte ich eine Rundfahrt durch Deutschland machen und meine Untersuchungen im Frauenbereich weitertreiben. Ich verabschiedete mich von Tina und fuhr Richtung Hamburg – in ständiger Angst, unterwegs liegenzubleiben.
Die Zweite
Im Hamburger Schanzenviertel lernte ich in einer Bierkneipe Heike kennen, eine selbstsichere Frau mit ausgeprägten Formen. Sie besaß eine mittelgroße Wohnung mit Polster- und Schlafgarnitur, Ikea-Küche und Aquarium. Obwohl Heike mit ihren bald 40 Jahren nicht mehr ganz jung war, scheute sie keine Mühe, frisch und attraktiv zu bleiben. Sie beschäftigte sich intensiv mit ihrem Körper und ihrer Seele, und kannte sich sehr gut in Kräutermedizin aus. Der Geschlechtsverkehr veranlaßte Heike verschiedene Laute auszustoßen, die nach meinem Empfinden nicht nur im Bettbereich, sondern überall im Haus zu hören waren. Manchmal klangen diese Schreie wie Hundegeknurr.
Heike hinterließ einen guten Eindruck. Größe, Gestalt und Temperament waren gut, ihr Benehmen zufriedenstellend. Im Bett genoß sie das sexuelle Beisammensein und fand Geschmack am Liebesspiel. Während des Geschlechtsaktes und auch danach unterhielten wir uns über dies und das. Die russischen Kondome erzeugten bei Heike keinerlei Wirkung. Erneut konnte ich keinerlei Abweichungen feststellen.
Am nächsten Tag verabschiedete ich mich von ihr und fuhr mit meinem Volkswagen zum Autoservice. Es war doch der Vergaser. An einer Elbbrücke hielt ich kurz an und schmiß die russischen Kondome in den Fluß. Nicht alles ist Gold, was glänzt, pflegte mein Vater immer zu sagen.
Die Dritte und Vierte
Gibt es sie überhaupt – die typische deutsche Frau? Das fragte ich mich verzweifelt und fuhr über Uelzen nach Hannover. Unterwegs blieb der Volkswagen stehen, ich fuhr mit dem Zug weiter. Dabei ging mir nicht aus dem Kopf, wie ein so solides Auto bereits nach fünf Jahren Schrott sein konnte, und das in einem Land, das auf der ganzen Welt für seine Autobahnen berühmt ist. Ich beschloß, mich in Hannover nach einem japanischen Wagen umzusehen.
Ich mietete ein Zimmer in einem preiswerten Hotel. Mein Geld war fast alle. Außerdem hatte ich mich ziemlich erkältet, doch ich wollte unbedingt meine Forschungen fortsetzen. Gleich in der Nähe des Hotels lernte ich in einer Bierkneipe Petra kennen. Sie war die Besitzerin. Ruhig, selbstbewußt und humorvoll.
Nach Feierabend lud sie mich zu einer Besichtigung ihres Hauses ein. Im Gästezimmer fand ich eine Schrankwand mit eingebautem Fernseher sowie einer nagelneuen Stereoanlage der Firma Panasonic. In der Küche stand eine Geschirrspülmaschine, die ebenfalls meine Aufmerksamkeit erregte. Im Schlafzimmer befand sich ein mittelgroßer, kräftiger Mann. Das war, wie sich herausstellte, ihr Ehemann, der zu dieser Zeit eigentlich woanders sein sollte. Nach einem kurzen Gespräch ließ ich das Paar allein und ging zurück ins Hotel, obwohl es schon sehr spät war.
Trotz aller Schwierigkeiten sah ich mich verpflichtet weiter zu machen. Am nächsten Tag lernte ich in einer anderen Bierkneipe Stefanie kennen. Ich fand sofort Gefallen an ihr. Es gibt so Mädchen, in die man sich unbedingt verliebt. Jung, prall, mit einer zarten, etwas matten Haut. Stefanie war 19 und arbeitete in einem Schmuckgeschäft. Gleichzeitig studierte sie Theologie. Sie besaß eine kleine, aber sehr schön eingerichtete Dachgeschoßwohnung mit Bad, WC und Kochnische. Den sexuellen Umgang pflegte sie vorwiegend zur Tageszeit, jedoch auch nachts. Während des Orgasmus stieß Stefanie melodische, nach Tiroler Jodeln klingende Töne aus. Im Bett genossen wir das sexuelle Beisammensein und unterhielten uns über dieses und jenes. Stefanie interessierte dazu, wie wohl russische Kondome aussehen mochten und fand meine Beschreibungen sehr unterhaltsam. Natürlich war es mir jetzt unangenehm, daß ich sie weggeworfen hatte.
Resümee
Als mein Geld ausging, beschloß ich, nach Hause zu fliegen und meine Forschungen für eine Weile einzustellen. Man sollte ein Volk nicht nur nach einem kurzen Experiment beurteilen. Um wirklich lohnende wissenschaftliche Arbeit zu leisten, brauchte man mehr Zeit, mehr Mittel und mehr Begeisterung. Am Flughafen schoß mir ein Gedicht durch den Kopf:
Rasende Autos
Autos en masse
An der Straße Ebereschen
Schneeballbusch, Blütenpracht.
Weißer Apfelbaum schäumend
Und Akazienstrauch
Heute will ich nicht krank sein;
Und Dir wünsch' ich das auch.
Wladimir Kaminer/Ilia Kitup
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