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■ Die Vereinigten Staaten zwischen Rechtsstaat und KolonialmachtWiderborstiges zur Cernis-Katastrophe

Der Tod von 20 Menschen im oberitalienischen Cernis-Tal, verursacht durch den unzulässigen Flug einer US-„Browler“ im Februar 1998, wird ohne strafrechtliche Folgen bleiben. Das riecht natürlich wieder einmal nach amerikanischer Arroganz, kolonialem Denken und rücksichtsloser Durchsetzung des Rechts des Stärkeren. Und daß das Urteil gerade in jener Stunde fiel, in denen wieder ein Mensch unter Bruch völkerrechtlich verbindlicher Verträge in den USA hingerichtet wurde, verschärft die Wut über den Großen Bruder jenseits des Ozeans noch mehr.

Doch auch wenn es nicht gefällt: in Gerichtsverfahren geht es um den einzelnen, nicht ums System. Und so ist zu fragen, was man den Unglückspiloten wirklich als subjektive Schuld anlasten kann – sonst nichts. Daß er eine Geländekarte hatte, in der das Cernis nicht als Skigebiet eingezeichnet war, trifft jedenfalls zu; daß die Piloten seitens ihrer Vorgesetzen fast nie über die von Italien erlassenen Flugvorschriften informiert werden, ebenfalls. Nicht zu widerlegen ist auch, daß Höhen- und Geschwindigkeitsmesser im Unglücksflieger nicht richtig funktionierten. Und daß da nachträglich noch manipuliert wurde, hat sich jedenfalls nicht belegen lassen.

Gehen wir von der rechtsstaatlichen Grundregel „im Zweifel für den Angeklagten“ aus, ist das Urteil also nicht ganz abwegig. Daß der Staatsanwalt sich nicht die Mühe einer harten Prüfungs des Falls machte, ist allerdings auch nicht zu leugnen. Für eine Verurteilung reicht das nicht: Denn dann müßten auch schwerwiegende Fragen gestellt werden, wie die nach dem Autofahrer, der sich nach einer Geschwindigkeitskontrolle darauf hinausredet, sein Tachometer sei kaputt, und trotzdem verknackt wird – Fahrzeughalter und Fahrzeugführer sind verantwortlich für den ordnungsgemäßen Zustand seines Gefährts.

Doch die Militärs haben da längst wieder ein eigenes Rechtsgefüge geschaffen, das strafrechtliche Folgen für sie ausschließt. Der Fall Cernis käme also wie gerufen, dies einmal gründlich zu hinterfragen und festzulegen, wer in solchen Fällen zur Verantwortung zu ziehen ist: der Stützpunktkommandant, der die Flugvorschrift nicht hinreichend verklickert? Die Wartungsmannschaft, die Piloten mit defekten Instrumenten aufsteigen läßt? Oder der Pilot, der sich wie ein tumber Tor aufführt? Vermutlich aber werden die betroffenen Regierungen sich auf Stirnrunzeln beschränken. So kann man nur bösartig hoffen, daß bei künftigen Unglücken dieser Art ein Amerikaner mit in der Gondel sitzt. Werner Raith

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