Wider den Centern: Straßen sollen schöner werden
Kleinteilige Geschäftsstraßen statt immer nur großer Einkaufszentren: Die Grünen wollen mit einem Gesetzentwurf klassischen Einzelhändlern helfen.
Im Herbst ist Spatenstich: Zwischen Warschauer Straße und Ostbahnhof bekommt Berlin ein weiteres Einkaufszentrum: drei Stockwerke, 120 Läden, 900 Parkplätze. Nicht nur für klassische Einzelhändler im nahen Wrangelkiez oder in der Warschauer Straße steigt durch solche Projekte der Konkurrenzdruck: Weitere große Einkaufszentren entstehen derzeit auf dem Leipziger Platz und direkt neben dem Fernsehturm. Aktuell zählt die Industrie- und Handelskammer (IHK) 63 Shoppingcenter in Berlin.
Um Geschäftsstraßen und kleinen Einzelhändlern im Wettbewerb mit dieser Konkurrenz zu helfen, bringen die Grünen am heutigen Donnerstag 8080/starweb/adis/citat/VT/17/DruckSachen/d17-1053.pdf:einen Gesetzentwurf ins Abgeordnetenhaus ein. Ob Wrangelstraße in Kreuzberg, Turmstraße in Moabit oder Kurfürstendamm: Benachbarte Geschäftsinhaber können sich auf Grundlage des Gesetzes zusammentun und Maßnahmen planen, die ihren Kiez stärken könnten – gemeinsame Werbung für den Standort, neue Bänke auf einem öffentlichen Platz oder Veranstaltungsreihen wie Lesungen.
Bei den Planungen haben Grundstückseigentümer und Anwohner Mitsprache- und Vetorechte. Wenn zehn Prozent der Eigentümer eines Gebiets ein solches Konzept unterstützen, können es dessen Initiatoren beim Bezirksamt einreichen – inklusive eines Finanzplans. Gibt das Amt grünes Licht, werden die Kosten per Abgabe auf alle Eigentümer von Grundstücken mit Gewerbeanteil umgelegt. „Wir wollen den klassischen Einzelhändlern ein Instrument an die Hand geben, das die vielfältige Geschäftsstraßenkultur Berlins stärkt“, sagte die Grünen-Wirtschaftspolitikerin Nicole Ludwig.
Ähnliche Gesetze gibt es bereits in sieben Bundesländern. Kritiker sehen in dem Modell, dessen Vorbild so genannte „Business Improvement Districts“ (BID) in den USA sind, die Gefahr einer Privatisierung öffentlicher Aufgaben. Im Prinzip sei es richtig, über die Aufgabenverteilung privater und öffentlicher Akteure in der Stadtentwicklung nachzudenken, so IHK-Sprecher Leif Erichsen: „Aber es muss sichergestellt sein, dass der Staat nicht aus der Pflicht genommen wird.“ Die IHK befürchtet auch übermäßigen Kosten- und Personalaufwand und betont ihre guten Erfahrungen mit freiwilligen Ansätzen.
Auf die hatte auch der Senat 8080/starweb/adis/citat/VT/17/KlAnfr/ka17-11821.pdf:in seiner Antwort auf eine Piraten-Anfrage im Mai verwiesen. Ob eine gesetzliche Regelung zu höherer Anwendung dieser freiwilligen BIDs führe, erscheine fraglich. Im Koalitionsvertrag ist vorgesehen, die Einführung eines Berliner BID-Gesetzes zu prüfen.
Auf Zustimmung stößt die Grünen-Initiative bei der AG City, die sich für eine Stärkung des Quartiers rund um Ku’damm und Tauentzienstraße einsetzt. „Wir werben schon lange für ein solches Gesetz“, sagt Vorstandsmitglied Gottfried Kupsch. Kritisch sieht er jedoch, dass nicht klar definiert sei, was man unter Klima- und Umweltschutzmaßnahmen zu verstehen habe. In solche müssen nämlich 20 Prozent eines Projekts fließen.
Ordnungsrechtliche Maßnahmen sieht der Entwurf übrigens nicht vor. „Wir wollen ja nicht die Einrichtung von Sicherheitsdiensten fördern, die dann Obdachlose von öffentlichen Plätzen vertreiben“, so Nicole Ludwig.
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