Werftkonzern für Kriegsschiffe geplant: Regierung schmiedet Waffenschmiede
Drei Schiffbauunternehmen planen einen Werftkonzern, der Marineschiffe bauen soll. Bundesregierung hat versprochen, Aufträge national zu vergeben.
Freunde machte sich die heutige Präsidentin der Europäischen Kommission damit weder im Schiffbauverband VSM noch in der Spitze der Industriegewerkschaft Metall.
Zu den Kritikern gehörte auch die „Küsten-Gang“, ein Zusammenschluss von Politikern der SPD, der mittlerweile auch Mitglieder von CDU und FDP aus den Küstenländern angehören und die sich für die maritimen Branchen einsetzt. Deren Lobbyarbeit im Bundestag zeigte Wirkung: Im Februar ruderte die Bundesregierung Angela Merkels zurück. Der Marine-Schiffbau wird nun als „nationale Schlüsseltechnologie“ eingestuft. Nach diesem Beschluss müssen künftige Aufträge nicht mehr europaweit ausgeschrieben werden.
Nun wurde ein weiterer Schritt bekannt: Drei wichtige Schiffbauunternehmen planen einen neuen Werftkonzern, der sich ausschließlich auf den Bau und die Wartung von Marineschiffen konzentriert. Als erster berichtete der Norddeutsche Rundfunk über Gespräche zwischen den Kieler Werften German Naval Yards und Thyssen-Krupp Marine Systems sowie der Lürssen Werft aus Bremen. Die Bundesregierung fungiert dabei als Moderator, heißt es.
Freude bei den Konzernen
Ein „deutscher Marinechampion könnte die Antwort auf das europäische Umfeld sein“, twitterte der Vorstand von Thyssen-Krupp, Oliver Burkhard, daraufhin begeistert. Ähnliches hatte der Stahlkonzern allerdings bereits vor einem Jahrzehnt in Hamburg versucht: Um die Werft Blohm+Voss herum sollte mit Thyssen-Krupp ein nationaler Werft-Champion entstehen.
Doch das Unternehmen aus dem Ruhrgebiet verlor bald das Interesse an einer ganz großen Lösung. Seit 2011 konzentriert sich Thyssen-Krupp Marine Systems (TKMS) auf den lukrativen Bau von U-Booten und die Konstruktion von Fregatten. Von der heutigen German Naval Yards in Kiel trennte sich Thyssen-Krupp ebenso wieder wie von Blohm+Voss. Mittlerweile dürfte das angeschlagene Unternehmen wegen milliardenschwerer Fehlinvestitionen in Amerika auch an einem Verkauf von TKMS interessiert sein.
Daniel Friedrich, Bezirksleiter der IG Metall Küste, hält einen Zusammenschluss im Marineschiffbau für „sinnvoll“, teilte sein Sprecher auf Anfrage mit. Das Know-how im deutschen Schiffbau müsse gesichert werden. Denn es gehe um tausende Arbeitsplätze auf Werften und bei Zulieferern.
„Die Konsolidierung darf aber nicht auf Kosten von Beschäftigten und Standorten gehen.“ Die Gewerkschaft schlägt Wirtschaft und Bundesregierung einen „Marine-Gipfel“ vor, um „eine strategische Perspektive für den deutschen Marineschiffbau in Europa zu entwickeln“.
Die Nummer eins im militärischen Überwasserschiffbau ist längst der Familienkonzern Lürssen. Er dürfte auch die Führung einer künftigen „Deutschen Marine-Werft“ anstreben. Dem erfolgreichen Milliardärs-Jachten-Bauer gehören neben Blohm+Voss bereits die beiden anderen auf Kriegsschiffe spezialisierten Schiffbauer in Deutschland, die Peene-Werft in Wolgast und Norderwerft in Hamburg. Dagegen soll der zivile Standort im niedersächsischen Elsfleth noch in diesem Jahr geschlossen werden.
Weniger Schiffe, aber ökologischer
„Wir halten eine Konsolidierung der Systemhäuser im deutschen Marineschiffbau für sinnvoll und erforderlich, um dadurch nachhaltig die internationale Wettbewerbsfähigkeit zu stärken“, äußert sich Lürssen gegenüber einer Nachrichtenagentur. Als Konkurrenten gelten, neben dem MKS-180-Bauer Damen, Fincantieri in Italien und die französische Naval, beides teilstaatliche Konzerne.
Hinter der Beförderung des Marineschiffbaus zur nationalen Schlüsseltechnologie steht auch ein Wandel in der Außenpolitik der Bundesregierung. Der latente Dauerkonflikt mit Russland und dem expandierenden China befeuern den maritimen Ausbau: Da Kriegsschiffe nahezu grenzenlos weltweit operieren können, werden sie zur „Projektion von (politischer) Macht“ genutzt, sagte Kapitänleutnant Moritz Brake erst im Februar auf einer Marinetagung in Rostock.
„Jede Krise birgt eine Chance in sich“, schlägt Friedensaktivist Jürgen Grässlin einen anderen Kurs vor. „Die Zukunft liegt nicht im Rüstungsexport, sondern in der Rüstungskonversion“, so der Sprecher der bundesweiten Kampagne „Aktion Aufschrei – Stoppt den Waffenhandel“. Jetzt sei die Zeit gekommen, nach und nach die militärische Fertigung herunterzufahren und auf neue Produkte zu setzen, etwa die Entwicklung umweltfreundlicher Antriebstechnik.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Müntefering und die K-Frage bei der SPD
Pistorius statt Scholz!
Kampf gegen die Klimakrise
Eine Hoffnung, die nicht glitzert
Krieg in der Ukraine
Biden erlaubt Raketenangriffe mit größerer Reichweite
Haldenwang über Wechsel in die Politik
„Ich habe mir nichts vorzuwerfen“
Rentner beleidigt Habeck
Beleidigung hat Grenzen
Zweite Woche der UN-Klimakonferenz
Habeck wirbt für den weltweiten Ausbau des Emissionshandels