Werder besiegt den HSV: Der Meute zum Fraß vorgeworfen

Werder entdeckt beim 3:2 im Nord-Derby die Schönheit des schlicht organisierten Spiels und befördert HSV-Trainer Amin Veh damit zum wutschnaubenden Derwisch.

Der Sündenbock: Hamburgs Piotr Trochowski. Bild: reuters

BREMEN taz | Sechs Spiele hat Armin Veh gebraucht, um beim HSV zum Derwisch zu werden. Noch auf dem Platz stauchte er nach dem 2:3 bei Werder Bremen Piotr Trochowski zusammen, um ihn anschließend zum Sündenbock zu machen. "Das hier ist Profifußball", giftete Veh, "dieser Ballverlust hat die Niederlage eingeleitet." Der gerade vorher eingewechselte Nationalspieler hatte den Ball vertändelt.

Der Wutausbruch konnte nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Trainer selbst seiner Mannschaft ihrer besten Waffen beraubt hatte. Die Flügelzange Elia/Pitroipa riss er auseinander, Taktgeber Ze Roberto verbannte er in eine Statistenrolle hinten links und für den unberechenbaren Mladen Petric brachte er den biederen Tomas Rincon.

Auf den Gedanken, den formstarken Pitroipa gegen den verunsicherten Mikael Silvestre auf dem rechten Flügel aufzubieten, kam Veh erst, als es schon 0:2 stand. Eine Umstellung, die binnen weniger Minuten durch zwei überragende Aktionen des Ex-Freiburgers zum Ausgleich führte.

Ergebnis: 3:2

Werder Bremen: Wiese - Fritz (43. Bargfrede), Prödl, Mertesacker, Silvestre - Frings - Wesley, Marin - Hunt (80. Jensen) - Hugo Almeida, Pizarro (87. Wagner)

Hamburger SV: Rost - Demel, Westermann, Mathijsen, Zé Roberto - Jarolim, Rincón (46. Kacar) - Choupo-Moting, Elia (53. Pitroipa), Jansen (80. Trochowski) - van Nistelrooy

Zuschauer: 36.300

Tore: 1:0 Demel (25./Eigentor), 2:0 Hugo Almeida (29.), 2:1 van Nistelrooy (59.), 2:2 Pitroipa (63.), 3:2 Hugo Almeida (85.)

Auch Thomas Schaaf hat in den letzten Wochen gegen seine sonstige Gewohnheit viel experimentiert, um trotz des Abgangs von Mesut Özil den Werder-typischen Kombinationsfußball wiederzufinden. Aber von Spiel zu Spiel brachen die Einzelteile des komplizierten Getriebes weiter auseinander, wurde die Sandschicht zwischen den Zahnrädern dicker, bis es in Hannover zum Totalstillstand kam.

Für den Neustart holte der Bremer Coach ein schlichtes 4-4-2 -System aus der Schublade. Positionstreue und klare Aktionen ersetzten die verwirrenden Laufwege, die zuletzt nur noch die eigenen Leute in die Irre geführt hatten hatten. Zur Rückbesinnung auf bewährte Rezepte kam die veränderte Einstellung der Spieler.

"Heute haben wir als Mannschaft auf dem Platz gestanden, sind Wege gegangen, die wehtun", sagte Torsten Frings, dessen Teamschelte unter der Woche offensichtlich Wirkung zeigte. "Dann gehen die Dinger hinten auch mal nicht rein und vorne erspielt man sich wieder mehr Chancen." Gleich die ersten beiden verwerteten Marin und Almeida zur Führung.

Nicht nur Frings profitierte als Vorkämpfer davon, dass mit Mertesacker und Pizarro zwei unentbehrliche Aktivposten endlich wieder dabei waren. Zudem hatte er mit dem lauf- und spielstarken Wesley einen Mann an seiner Seite, der das Spiel selbst dann noch ankurbelte, als er den verletzten Fritz in der Abwehr vertreten musste.

Einmal tauchte der Brasilianer in der zweiten Hälfte noch im HSV-Strafraum auf - und gab den Pass zu Almeidas Siegtreffer. "Schade, dass er so kleine Hände hat", sagte Schaaf über seine Neuerwerbung, "sonst könnten wir ihn auch als Torwart bringen."

Werders Trainer hat in elf Jahren noch niemanden der Meute zum Fraß vorgeworfen. Nicht einmal nach spielentscheidenden Fehlpässen. Die Spieler haben es ihm bislang immer gedankt. Armin Veh hat sich offenbar für einen anderen Weg entschieden.

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