Werder Bremen übt Schadensbegrenzung: Stolz aufs 0:4
Die Hanseaten verlieren gegen Bayern München standesgemäß mit 0:4 und schnuppern nur ganz kurz an der Überraschung.
![](https://taz.de/picture/59169/14/cN2_boateng_gelb_dpa_3sp.jpg)
BREMEN taz | Als Viktor Skripnik Ende Oktober vergangenen Jahres als neuer Cheftrainer des Tabellenletzten Werder Bremen vorgestellt wurde, hatte er bereits diesen 25. Spieltag vor Augen. Wenn die Bayern kommen, sollte sich die Mannschaft möglichst aus der Abstiegszone befreit haben, denn gegen die Bayern gibt es nichts zu holen, so damals die unerschütterliche Gewissheit.
Die wurde durch das 0:4 am Samstag, bei dem die Bremer nur ein paar Minuten dagegenhalten konnten, eindrucksvoll bestätigt. Dennoch gönnten sich die Bremer im Vorfeld des Spiels ein paar Tage, in denen sie so taten, als wäre alles so wie früher, als kämen die Bayern zum Treffen der Giganten an die Weser. Als wäre der Ausgang dieses Spieles, anders als in den Jahren zuvor, als die Ergebnisse 0:6, 2:5, 0:6 und 1:7 lauteten, tatsächlich offen.
Sticheleien im Vorfeld
Bremens Sportchef Thomas Eichin ritt im Vorfeld gar eine Attacke im Stile seines Vorvorgängers Willi Lemke, statt kleinlaut auf Erbarmen zu hoffen. Eichin forderte die Schiedsrichter auf, ihren Respekt vor den Bayern abzulegen und wurde daraufhin von seinem Münchner Kollegen Matthias Sammer mit der Bemerkung abgewatscht, er habe wohl beim Eishockey „mal einen Puck an den Kopf bekommen“.
Dann waren es aber doch die Bremer Spieler selbst, die trotz wiedererstarkten Selbstbewusstseins und aussichtsreicher Tabellensituation zu großen Respekt vor der vermeintlich besten Mannschaft der Welt zeigten. „Wir haben zu ängstlich und zaghaft agiert“, ärgerte sich Kapitän Clemens Fritz hinterher. „Ich hatte den Eindruck, wir hatten Schiss.“ Viktor Skripnik sagte zwar, die Mannschaft habe mutig agieren und keine „zwei Busse in den Strafraum stellen“ wollen. Über weite Strecken der ersten Halbzeit erwartete sie die Münchner aber doch mit zehn Spielern in der eigenen Hälfte.
Mit dieser Taktik schafften sie es immerhin, dass die Bayern keines ihrer vier Tore aus einer ihrer zahlreichen Ball-Stafetten heraus erzielten. Die fielen – außer beim Freistoßtreffer durch David Alaba kurz vorm Pausenpfiff – immer dann, wenn die Bremer doch einmal mutig nach vorne spielten und die Absicherung nach hinten kurz vernachlässigten. Die Kontertore von Thomas Müller (24.) und Robert Lewandowski (76.,90.) spiegelten mit ihrer Präzision und Dynamik „die Unterschiede in der individuellen Klasse wieder“, wie Skripnik anerkennen musste.
Und dennoch gab es eine kurze Phase in diesem Spiel – etwas zwischen der 55. und 75. Minute – in der ein anderer Gang der Dinge vorstellbar wurde, in der Bremer Publikum und Spieler kurz an der Hoffnung auf eine Wende schnupperten. Bargfrede, Fritz, Junuzović und Co. waren plötzlich Sekundenbruchteile früher an Ball und Gegenspieler, gingen aggressiv in die Zweikämpfe, statt Katz und Maus mit sich spielen zu lassen. Die Stimmung wurde hitziger und mehrmals standen sich die Spieler rudelweise kampfbereit gegenüber. Auch nach vorne hin öffneten sich jetzt Räume für Torchancen, deren größte zur meistdiskutierten Szene des Spiels wurde.
Der Schiedsrichter patzt
Einen Treffer von Fin Bartels gab Schiedsrichter Thorsten Kinhöfer wegen eines vorausgegangenen Handspiels von Sebastian Prödl nicht. Die TV-Bilder zeigten dagegen eindeutig, dass Prödl von Bayerns Abwehrspieler Jérôme Boateng elfmeterwürdig heruntergerissen wurde. „Ein Strafstoß hätte uns das Fünkchen Hoffnung zurückgebracht“, sagte Sebastian Prödl, nach dem man ihm die Szene in der Mixed Zone gezeigt hatte.
„Das ist alles ,hätte, hätte‘“, wollte Viktor Skripnik von dieser Diskussion nichts wissen: „Das Spiel ist vorbei und abgehakt, wir schauen jetzt nach vorne.“ Auch sonst nutzte niemand die von Schiedsrichter Kinhöfer selbst eingestandene Fehlentscheidung, um die These eines möglichen Bayer-Bonus wieder aufzuwärmen. Dafür war der qualitative Unterschied zwischen beiden Mannschaften zu groß. So groß, dass Skripnik am Ende sogar „stolz auf dieses 0:4“ war. Es ist allerdings schwer vorstellbar, dass er sich insgeheim nicht doch darüber ärgert, es den Bayern zu leicht gemacht zu haben.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Mitarbeiter des Monats
Wenn’s gut werden muss
Tabubruch der CDU
Einst eine Partei mit Werten
Social-Media-Star im Bundestagswahlkampf
Wie ein Phoenix aus der roten Asche
Erpressungs-Diplomatie
Wenn der Golf von Mexiko von der Landkarte verschwindet
80 Jahre nach der Bombardierung
Neonazidemo läuft durch Dresden
Zwei Todesopfer nach Anschlag in München
Schwer verletzte Mutter und Kind gestorben