Werder Bremen ist wieder da: Arsch oben
Werder Bremen holt sich dank der Schwunggeber Özil und Diego beim AC Mailand viel Selbstvertrauen für den Krisengipfel gegen Bayern München.
Die honorigen Herren der Bremer Geschäftsführung haben im Europapokal schon so einiges erlebt. Manfred Müller oder Klaus-Dieter Fischer standen beim SV Werder schließlich schon in der Verantwortung, als man unter Anleitung von Otto Rehhagel die berühmten Wunder von der Weser schufen. Das, was sich unter Ausschluss der deutschen TV-Öffentlichkeit im legendären Giuseppe-Meazza-Stadion von Mailand am Donnerstagabend abspielte, erreichte nun eine neue Dimension. "Das schönste Unentschieden seit 20 Jahren", hatte Marketing-Fachmann Müller mit dem 2:2 (0:2) beim AC Mailand und dem Einzug ins Achtelfinale des Uefa-Cups gesehen, "das war richtig gut fürs Image, interessant für die Finanzen und wichtig für die Psyche." Vor allem Letzteres: Die zuletzt arg ramponierte Marke Werder, selbst nach innen zuletzt mit vielerlei Selbstzweifeln versehen, strahlte nach außen auf einmal wieder wie zu besten Rehhagel-Zeiten. Und plötzlich ist die Brust so breit, dass man fest daran glaubt, auch dem FC Bayern am Sonntag die breite Brust bieten zu können. "Ich werde die Mannschaft nicht aus der Pflicht lassen", kündigte Trainer Thomas Schaaf an, und Torsten Frings warnte in Richtung München: "Das haben wir gebraucht und hat uns viel Selbstbewusstsein gegeben."
"Wir haben den Arsch noch rechtzeitig hochgekriegt", lieferte Ersatztorwart Christian Vander den verbalen Volltreffer zu einer Begegnung, in dem die unorganisierte und uninspirierte Milan-Riege zum Spielball beschwingter Bremer wurde, die nun auch gegen den französischen Vertreter AS Saint Etienne (12. und 18./19. März) als Favorit gehandelt werden. "Wir hatten die Partie nie im Griff", gab Trainer Carlo Ancelotti zu. Und seine Analyse glich einem Offenbarungseid seiner Arbeit: "Werder war besser, uns physisch und taktisch überlegen." Den vom abermals indisponierten Clemens Fritz begünstigten 0:2-Rückstand durch den Handelfmeter von Andrea Pirlo (26.) und das Traumtor von Pato (33.) münzte Claudio Pizarro mit zwei feinen Kopfballtoren (68. und 78.) noch in ein hochverdientes Remis um. Cheftrainer Thomas Schaaf führte nach dem Ausgleich an der Trainerbank ein ekstatisches Tänzchen auf, seine Spieler taten es ihm nach dem Abpfiff vor den 1.700 mitgereisten Anhängern gleich.
"Wer in vier Spielen einer Saison gegen Inter und AC Mailand nicht verliert, besitzt Qualität", stellte Sportchef Klaus Allofs fest. Diese Klasse ein wenig konstanter abzurufen, wäre vorteilhaft. Etwa ist an Claudio Pizarro zu besichtigen, dass Genie und Wahnsinn in der grün-weißen Entourage eine friedliche Koexistenz pflegen. Gegen Cottbus katapultierte sich der 30-Jährige wegen einer verpassten Trainingseinheit aus dem Kader, gegen Mailand schoss er Werder allein in die nächste Runde. Pizarro gab artig zu Protokoll: "Ich wollte der Mannschaft mit meiner Erfahrung helfen. Ich hoffe, dass wir jetzt alle so weiterspielen." Dem sollten sich die wahren Schwungräder nicht verschließen. Nicht Diego oder Mesut Özil muss es bei Werder heißen, sondern Diego und Özil, sofern sie im Duett weiter so wirbeln. Gegen ihren Spieltrieb und Bewegungsdrang wirkten Clarence Seedorf und David Beckham wie teure Standfiguren. Milans Bosse wären gut beraten, mal nachzudenken, ob der Ball mit ein bisschen weniger Prominenz nicht viel besser rollen würde.
Werders Geschäftsführung hat übrigens in Sachen Bewegtbilder noch nachverhandelt: Abonnenten von Werder.TV können nun auf der Vereinshomepage Spielbilder sehen. Rechteinhaber Mediaset, eine Firma des Berlusconi-Imperiums, hatte sich selbst da lange quergestellt und von deutschen Sendern für eine Live-Übertragung rund eine Million Euro gefordert. Die dramatische Auseinandersetzung wäre es wert gewesen. Vielleicht liefert Werder ja gegen die Bayern morgen einen nicht minder unterhaltsamen Nachklapp, der dem deutschen Publikum dann auch nicht vorenthalten wird.
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