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Wenn der Stift ruht

Die Redaktion der „SZ“ streikt wieder für mehr Lohn. Der Verlegerverband verweist auf die enormen Umbrüche in der Zeitungsbranche

Mehr Haltung als so manche Verlage: Zeitungs­ständer Foto: Michael Gstettenbauer/imago

Von Alice von Lenthe

Schon sechs Mal in diesem Jahr erschien die Süddeutsche Zeitung (SZ) in ungewohnter Form: Weniger umfangreich, weniger aktuell. Der Grund ist ein Konflikt zwischen Re­dak­teu­r*in­nen und Verlag, der schon seit Monaten anhält. Er spiegelt die enormen Umbrüche in der Zeitungsbranche.

Die SZ erschien an sechs Tagen in ausgedünnter Ausführung, weil weite Teile der Redaktion streikten. Jeweils zwei Tage Ende Januar, Mitte Mai und zuletzt Anfang Juli. Nicht nur die gedruckte Zeitung, auch die Onlineberichterstattung, Podcast-Produktion und der Content in den sozialen Medien wurde heruntergefahren. Die SZ erklärte das ihrer Leserschaft jeweils online.

Die Gewerkschaft Verdi spricht von einem weiteren zweitägigen Streik in der SZ im März. Daran sollen sich etwa 200 Jour­na­lis­t*in­nen beteiligt haben. Sie sind nicht alleine. Mitte Mai streikten laut Verdi Redaktionsmitglieder von elf Regionalzeitungen in Baden-Württemberg. Auch in anderen Redaktionen in Bayern, in NRW und an der Ostseeküste soll die Beteiligung an Streiks gestiegen sein.

Der Grund: Geld. Die Deutsche Journalistinnen- und Journalisten Union (DJU) als Teil von Verdi verhandelt seit Monaten mit dem Zeitungsverlegerverband BDZV über einen neuen Tarifvertrag. Im Zuge dessen riefen die DJU und die andere große Gewerkschaft für Journalist*innen, der Deutsche Journalisten Verband (DJV), mehrfach zu Streiks auf.

Die DJU fordert 12 Prozent mehr Lohn, der DJV 10,5 Prozent – jeweils bei zwölf Monaten Laufzeit. Im März hatte die Verlagsseite ihrerseits ein erstes Angebot vorgelegt. Es sah eine Erhöhung in drei Stufen vor, und zwar 120 Euro mehr Gehalt rückwirkend ab Januar 2025, 1,5 Prozent mehr ab August 2026 und ein Prozent mehr ab 2027. Außerdem wollen die Verlage die Gehaltsstaffelung verändern, sodass mit zunehmenden Jahren Berufserfahrung nicht mehr bedeutend mehr Gehalt gezahlt wird. Dieses Angebot wurde von den Gewerkschaften abgelehnt.

Die Re­dak­teu­r*in­nen begründen ihre Forderungen nach mehr Gehalt mit der gestiegenen Inflation. Der letzte Tarifvertrag wurde 2022 ausgehandelt und sah nur leichte Lohnerhöhungen vor. Allerdings zahlte der Verlagsverband seit Oktober 2023 eine Prämie von 120 Euro pro Monat bis Ende 2024, um die Inflation auszugleichen.

Der Verlagsverband hingegen beharrt darauf, dass die Branche vor großen Herausforderungen steht: Die meisten Verlage verkaufen immer weniger Print-Zeitungen, die jedoch nach wie vor das Geschäft tragen. Deswegen würden Umsätze sinken. Gleichzeitig fordere die Umstellung auf den Digitaljournalismus hohe Investitionen. Beides zusammen lasse „keinen Spielraum für derart hohe Gehaltssteigerungen, wie sie die Journalistengewerkschaften fordern“, so Georg Wallraf, der für die BDZV die Verhandlungen führt, Ende letzten Jahres.

Die meisten Verlage verkaufen weniger Print-Zeitungen, die nach wie vor das Geschäft tragen

Im Mai sah es kurzzeitig nach einer Einigung aus, die dann doch platzte. Die Gewerkschaften werfen dem Verlagsverband vor, kurzfristig Bedingungen gestellt zu haben, die eigentlich längst ausgeräumt waren. Die Verlagsseite betont, diese Forderungen immer gestellt zu haben und beschuldigt die Gewerkschaften, eine Lösung verkündet zu haben, die es gar nicht gab. Die Stimmung sei angespannt, berichtete die SZ selbst in einem langen Artikel.

„Die Wut über die inakzeptable Vorgehensweise der Verleger am Verhandlungstisch ist immens, die Streikenden erwarten ein besseres Ergebnis als die letzten Angebote“, so Matthias von Fintel vergangene Woche. Er verhandelt für die DJU.

Die nächste Verhandlungsrunde wird am kommenden Freitag, den 18. Juli in Hamburg stattfinden. Es ist bereits die zehnte. Die DJU hatte schon vergangene Woche wieder zu Streiks in den Redaktionen aufgerufen. Bisher hat die Süddeutsche ihre Le­se­r*in­nen noch nicht vorgewarnt. Doch weitere ausgedünnte Ausgaben scheinen nicht ausgeschlossen.

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