Wenn das Ordnungsamt in Zivil umgeht: The War on Kippen
Im Rahmen des „World Clean Up Days“ lauern die Kippen-Cops in Berlin und verhängen Strafen. Ein Verwarngeld von 55 oder Bußgeld von bis zu 120 Euro.

taz | Der erste Zug der Feierabendkippe schmeckt besser als jedes Sterne-Menü. Ich zünde den Glimmstängel an, inhaliere den Rauch und blase ihn in die Spätsommerluft – als ich den Mann mit Hut, Sonnenbrille und Trenchcoat hinter mir bemerke. Ganz klar: ein Inkognito-Kippen-Cop. Einschüchtern lasse ich mich nicht. Noch ein Zug, dann schnipse ich die Zigarette weg – und setzte zum Sprint an. Es folgt eine Verfolgungsjagd durch SO36, zick, zack, Parcours, sprinten, stolpern, Handschellen – minus 120 Euro.
So oder ähnlich könnte es Berliner*innen in dieser Woche ergehen. Denn, liebe Raucher*innen, macht euch gefasst: Sie sind unterwegs – uniformiert und in Zivil, die Erbsenzähler – um Kippensünder zu jagen. Christopher Schriner hat den „Kampf gegen Kippen“ ausgerufen. Nixons „War on Drugs“ war dagegen ein Kinderspiel.
Seit 22. September und noch bis zum 28. September beteiligt sich der Bezirksstadtrat von Mitte, Christopher Schriner (Grüne), mit seinem Bezirk an einer berlinweiten Aktion der Ordnungsämter, gegen achtlos weggeworfene Zigaretten. Im Rahmen des „World Clean Up Days“ lauern die Kippen-Cops an den dreckigsten Ecken Berlins und verhängen Strafen: ein Verwarngeld von 55 Euro oder ein Bußgeld von bis zu 120 Euro. 120 Euro: Das sind 17 Packungen Pall Mall!
„… und das Trinkwasser belasten können“
„Zigarettenkippen“ (Zigaretten oder Kippen, Leute, wer sagt schon Zigarettenkippen?) würden nicht nur ein optisches Ärgernis darstellen, so Schriner, sondern auch ein gesundheits- und umweltgefährdendes Problem: „Sie enthalten zahlreiche Schadstoffe, die über den Regen ins Grundwasser gelangen und so das Trinkwasser belasten können.“ Zudem würden sie ein Risiko für Kinder und Tiere bergen, etwa durch Verschlucken, so der Bezirksstadtrat. Berlin ist echt nicht mehr das Raucher*innen-Eldorado, das es mal war.
Zudem bedeute die Entfernung von Kippen im öffentlichen Raum einen enormen Arbeitsaufwand und hohe Kosten für die Berliner Stadtreinigung (BSR), so Schriner. Aus öffentlichem Straßenland entferne die BSR jährlich etwa 2,9 Milliarden Kippen.
Den „Kampf gegen Kippen“ trägt nicht allein der Bezirk Mitte aus. Auch der schwarz-rote Senat hat den Kampf gegen Müll erklärt. Im August brachte der Senat einen verschärften Bußgeldkatalog auf den Weg. Die „Zigarettenkippe“ auf den Boden zu werfen, kostet demnach laut Umweltverwaltung in Zukunft 250 Euro statt bisher 55 Euro – 250 Euro: Das hätten 35 Packungen Pall Mall sein können …
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