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Krieg zwischen Iran und IsraelWenn alle Seiten Sieg verkünden

Iran, Israel und die USA beschwören alle den großen Erfolg der militärischen Konfrontation. Etwas daran kann nicht stimmen. Ein Überblick.

Ein ausgebranntes Auto in Teheran am 23. Juni Foto: Majid Saeedi/Getty images

Berlin taz | Nach dem Beginn der Waffenruhe am Dienstag veröffentlicht ein TV-Kanal des iranischen Staatsfunks ein Propagandavideo. Mit Legofiguren und im Star Wars-Look erzählt da die Islamische Republik ihrem Volk den Krieg nach: Israels Premier Benjamin Netanjahu, US-Präsident Donald Trump und ein Teufel beschließen den großen Überfall auf die Islamische Republik. Die schießt mit ihren Raketen zurück; Hochhäuser, Flugzeuge, eine israelische Fahne verschwinden in einer Feuersbrunst, großer Jubel von Lego-Männchen nebst diverser Flaggen. Schließlich ein Satz auf Hebräisch, Persisch, Arabisch: „Wir kontrollieren das Spiel“.

So weit die Darstellung der einen Seite. Trump verkündete wiederum nach den US-Luftangriffen stolz: Die Atomanlagen in Iran „wurden völlig zerstört und jeder weiß es“. Und während sich auch das politische Israel auf die Schulter klopft, sagt Militärsprecher Effie Defrin: Man habe alle definierten Kriegsziele erreicht – doch es sei noch „zu früh“, um den Schaden am iranischen Nuklearprogramm wirklich abschätzen zu können. Das ist die große Frage: Was hat es denn nun gebracht – die Angriffe erst Israels und dann der USA, nach Mehrheitsmeinung von Juristen völkerrechtswidrig? Die kommunizierten Kriegsziele: Ein nuklear bewaffnetes Iran verhindern, seine Kriegstüchtigkeit schwächen.

Letzteres ist wohl einfacher zu bewerten: Nach Angaben des israelischen Geheimdienstes habe Iran vor dem Krieg über etwa 1.000 bis 1.200 abschussbereite ballistische Raketen verfügt, das Jewish Institute for National Security in America berichtet von 360 funktionalen Abschussrampen. Und nach US-Geheimdienstberichten kann Iran pro Monat etwa 50 neue ballistische Raketen fertigen.

Schon während des Krieges mutmaßten Experten: Dass die Anzahl der Geschosse pro Salve, die Iran auf Israel abfeuert, immer geringer wurde, zeige einen wahrscheinlichen Mangel an Mittel- und Langstreckenraketen. In den ersten Tagen schickte Iran bis zu sechzig Raketen auf einmal los, mit dem Ziel, die israelischen Abwehrsysteme zu überwältigen. Über die zwölf Tage des Krieges wurden es immer weniger, zuletzt nur noch ein paar pro Angriff. Insgesamt sollen nach Angaben des israelischen Militärs mindestens 400 Raketen auf Israel gezielt haben, neunzig Prozent seien abgefangen worden. Schaden richteten sie dennoch an. Israel zerstörte auch Abschussrampen in Iran, nach eigenen Angaben etwa 30 Prozent der existierenden 360 Stück; außerdem wohl Produktionsstätten, auch für Raketenteile, was die Reproduktion beeinträchtigt. Insgesamt sind die Schäden sicherlich beträchtlich – aber von einer Zerstörung des Raketenprogramms kann wohl nicht die Rede sein.

Hat Iran die Zentrifugen aus Fordo weggeschafft?

Bleibt das Atomprogramm: Am Dienstag berichtete der US-Sender CNN von einem Bericht des US-Militärgeheimdienstes, dass das Atomprogramm lediglich ein paar Monate zurückgeworfen worden sei. Demnach sei Irans Vorrat an angereichertem Uran bei den Luftangriffen nicht völlig zerstört worden, auch die Zentrifugen zur Anreicherung des Urans auf waffenfähige Konzentration, sollen weitgehend intakt sein.

Die Fähigkeit, neu oder weiter Uran anzureichern, wurde wahrscheinlich beeinträchtigt

Gerade zu den Zentrifugen gibt es abweichende Einschätzungen: Sie befanden sich etwa in der unterirdischen Anlage Fordo, auf die die USA insgesamt 12 bunkerbrechende Bomben abwarfen. Die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) erklärte nach dem Angriff, man erwarte dort „sehr signifikante Beschädigungen“. Es läge nahe, dass allein die massive kinetische Energie der Bomben die Zentrifugen schwer beschädigt habe. Die Zylinder sind empfindlich gegenüber Vibrationen, ihre Funktion ist außerdem von durchgängiger Stromversorgung abhängig.

Professor Steve Fetter forscht an der Universität Maryland zu Nuklearpolitik. Er sagt: Es sei unrealistisch, dass Iran die Zentrifugen vor den US-Luftangriffen aus Fordo wegbewegt habe. Satellitenbilder, die ein Aufgebot an Lastwägen in den Tagen vor den US-Angriffen zeigten, hatten Spekulationen darüber ausgelöst. Es sei aber „wahrscheinlich, dass sie angereichertes Uran verlegt haben“, sagt Fetter. Im Gegensatz zu den Zentrifugen ließe sich das einfach abtransportieren. Über mehr als 400 Kilogramm auf über 60 Prozent angereichertes Uran soll Iran vor dem Krieg mit Israel und USA verfügt haben. Einen Großteil könnte Iran laut verschiedenen Experten behalten haben.

Es scheint realistischer, dass die Fähigkeit, neu oder weiter auf die für eine Atombombe benötigten 90 Prozent anzureichern, zumindest beeinträchtigt wurde. Auch, weil führende Köpfe des Nuklearprogramms von Israel getötet wurden. Ausgehend von den deklarierten Kriegszielen also ein bestenfalls mittelmäßiges Ergebnis.

Kommt nun eine weitere Runde der Verhandlungen?

Es überrascht daher nicht, dass das Waffenstillstandsabkommen, das Donald Trump in der Nacht auf Dienstag auf Truth Social verkündete, gerade bei Israel nicht für Begeisterung sorgt. Die Times of Israel nannte es kommentierend „ein bizarres Ende einer vielversprechenden Kampagne“.

Und das ist die zweite große Frage: Was folgt nun? Auf ein schriftliches Abkommen von USA, Iran und Israel, mit Konditionen und Vereinbarungen, fehlen bisher jegliche Hinweise. „Was. War. Der. Deal?“ schreibt etwa der in den Vereinigten Arabischen Emiraten ansässige Analyst Aimen Dean auf X, „Kein Fahrplan. Kein Zeitplan.“

Möglich wäre, dass sich die USA wieder um Verhandlungen mit einem geschwächten Iran bemühen. So wie sie es vor dem Zwölf-Tage-Krieg getan hatten. Doch ob Iran dazu bereit ist, bleibt fraglich: So stimmte das Parlament der Islamischen Republik am Mittwoch dafür, die Kooperation mit der IAEA – die bislang zumindest teilweise die Atomanlagen in Iran überwachte – auszusetzen. Herauszufinden, wie denn der neue Stand des Atomprogramms ist, könnte damit noch schwieriger werden.

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