Andreas Speit
Der rechte Rand
: Wenn Waffen sammeln nicht reicht

Foto: Jungsfoto: dpa

Andreas Speitarbeitet als freier Jour­nalist und Autor über die rechte Szene nicht nur in Norddeutschland.

Beleidigung folgte auf Beleidigung: Seit Februar 2017 griff Henning von S. den ehemaligen Landrat des Kreises Pinneberg, Oliver Stolz, verbal an. Im Internet, in Schreiben und in Flugblättern, die auch in Rellingen und Elmshorn auffielen, hetzte der 66-Jährige gegen den parteilosen 55-Jährigen. Henning von S. bezeichnete Stolz als „Dooflandrat“, „Nazischwein“ und „Schlappschwanz“, nannte ihn „würdelos“ und „kriminell“. Soweit die vermeintlich moderatesten Formulierungen. Kurz vor Weihnachten wurde er deswegen verurteilt. Es ist nicht sein einziges Vergehen.

Vor fast fünf Jahren, in jenem Februar 2017, bezeichneten mehrere Medien S. als „Waffennarr“. Denn die Kreisverwaltung beschlagnahmte bei dem Rentner aus Pinneberg 114 Schusswaffen und 1,5 Tonnen Munition. Experten des Kampfmittelräumdienstes mussten beim ehemaligen Beamten für Arbeitsschutz in Hamburg anrücken.

S. gab an, mal Leiter des Sprengstoffreferats gewesen zu sein. Der Besitz einer sogenannten Roten Waffenbesitzkarte erlaubte ihm den legalen Kauf von Waffen. Aber S., der auch Sportschütze ist und einen Jagdschein hat, konnte den schon 2015 vom Kreis Pinneberg geforderten nötigen Nachweis über diese Karte nicht mehr erbringen. Aus dem Grund folgte die Beschlagnahmung – und die Beleidigungen begannen.

Und zwar „ganz bewusst“, wie S. vor Gericht einräumte, um sich gegen die „rechtswidrige Verwaltungsmaßnahme“ zu wehren. Das Landgericht Itzehoe verurteilte ihn im Dezember wegen übler Nachrede und Verleumdung in zweiter Instanz zu einer Geldstrafe von 6.000 Euro. Das Gericht sah es als bewiesen an, dass S. in sieben Fällen die Beschimpfungen in Flugschriften zu verantworten hatte. S. bestritt dies auch nicht. Bereits im April 2020 hatte ihn das Landgericht wegen des Waffenbesitzes zu einer Bewährungsstrafe von 16 Monaten verurteilt.

Die politische Ausrichtung von S. ist online klar erkennbar: In den sozialen Medien bewegen sich seine Einträge nicht bloß zwischen der antisemitischen „Germanischen neuen Medizin“ und der rechts-religiösen „Organischen Christus-Organisation“. Er popularisiert auch das Verschwörungsnarrativ der „Neuen Weltordnung“, nach der „die Eliten“ eine autoritäre, supranationale Weltregierung anstrebten. Er trägt ebenso Reichsideologieargumente vor, nach denen Deutschland „mindestens seit 1945 unter Fremdverwaltung“ stehe. Diese „Fremdherrscher“ müssten rausgeworfen und abgestraft werden, fordert S. und deutet den „großen Austausch“ an, denn das „deutsche Volk steht jetzt vor dem Untergang“: Die Zuwanderer nutzten bereits auf „der Straße ihre Sprache“.

Dieser Untergang würde auch noch mit der „Lüge über das angebliche Wissen und das Einverständnis des deutschen Volkes mit dem Holocaust“ vorangetrieben. Denn „die tatsächlichen und behaupteten Fakten aus den Konzentrationslagern des III. Reiches stellen die einzige Machtgrundlage der Mächtigen in Deutschland dar“. Aus dem Grund werde jede „intelligente oder dumme Frage zum Thema ‚Holocaust‘ als Angriff auf die Machtbasis der ‚Herrscher‘ gewertet und brutalst abgestraft!“.

Der vermeintliche Waffennarr hat ein eindeutige Weltsicht. In dem Rechtsstreit stand ihm die Szeneanwältin Gisa Pahl bei.