piwik no script img

Wenn Geburten anders laufenAll Geburtspositionen are beautiful

Es gibt Dinge, die hat man nicht unter Kontrolle. Selbst wenn man es so sehr versucht wie unsere Autorin.

Können sich die Geburtsposition ihrer Mutter nicht aussuchen: Babies Foto: Kelsey Smith/Cavan/imago images

V or Kurzem las ich einen Tweet, der in etwa lautete, es sei eine Enttäuschung, dass ausgerechnet in der aufklärerischen Serie „Sex Education“ Gillian Anderson auf dem Rücken liegend ein Baby entbinde. Der Tweet blieb mir im Kopf, er hätte von mir sein können. Früher. Denn ja, heute gilt die Vorstellung, dass alle auf dem Rücken liegend entbinden, als veraltet.

Die Geburt meines ersten Kindes war eine Odyssee. Kurz gesagt: Blasensprung, keine Wehen, Einleitung, dadurch sofort extreme Wehen, PDA und über 24 Stunden später Kaiserschnitt wegen Geburtsstillstand. Es dauerte Monate, bis ich darüber sprechen konnte, ohne in Tränen auszubrechen.

Im OP dachte ich für einen Moment: Einer von uns beiden stirbt hier. Ich war bei Bewusstsein und nicht darauf vorbereitet, wie viel physische Kraft von außen es braucht, um ein Kind wieder aus dem Geburtskanal zu ziehen. Jedes Mal, wenn ich danach eine von diesen typischen TV-Geburten sah – ups, Blasensprung, Düdeldü, Stöhnen, und paar Minuten später ist das Kind da –, hatte ich nur Verachtung übrig.

Sie wissen nicht, was sie tun

Bei der Geburt des zweiten Kindes wollte ich alles anders machen. So lange wie möglich zu Hause bleiben. Viel Bewegung unter den Wehen. Eine Wassergeburt. Musik. Ein Krankenhaus mit intensiver Betreuung. Ich habe meditiert, um mit der Angst klarzukommen. Habe Geburtspositionen für alle Phasen mit meiner Hebamme geübt. Und mir Artikel zum Thema Kaiserschnitt durchgelesen – für alle Fälle.

Ich lache heute noch. Das Ende vom Lied war, dass sie mich in der Wunschklinik nach einer Routineuntersuchung drei Tage über Termin nach Hause schickten, mit dem Plan, am nächsten Morgen einzuleiten. Ich war verunsichert, weil ich leichte Wehen hatte. Sie meinten: Nö, CTG zeige nichts, der Muttermund zu, nach Kaiserschnitt ginge das nicht so schnell. Ich dachte: Die werden schon wissen, was sie tun.

Um 16.15 Uhr waren wir zu Hause. Davor im Auto war jedes Ruckeln eine Tortur. Sind das normale Wehen? Nee, die werden schon wissen, was sie tun. Ich in die Wanne. Es wurde schlimmer. Raus aus der Wanne. Im Schlafzimmer klammerte ich mich mit beiden Händen ans Gitterbett und klang wohl wie ein brünftiger Hirsch, als mir mit einem Schlag klar wurde: Die hatten keine Ahnung. Das Baby kommt.

Bitte keine Presswehen

Vor unserem Haus platzte die Fruchtblase. Neben mir saß der Kater der Nachbarin, guckte mich an und machte: „Miau“. Es war 17.15 Uhr. Meine letzter Gedanke, bevor ich auf allen Vieren auf die Rückbank kroch, war: Bitte keine Presswehen.

Es kamen: Presswehen. Ich brüllte: „Fahr in irgendein Krankenhaus!“ Die Sanitäter vor der Notaufnahme zogen mich auf eine Trage, brachten mich in einen winzigen Kreißsaal. Ich hatte die halbe Geburt über meine Jacke an. Auf dem Rücken liegend. Es dauerte keine halbe Stunde, um 17:59 war das Baby da. Seither sehe ich diese typischen TV-Geburten ein wenig anders.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Saskia Hödl
Autorin
Jahrgang 1985, ist freie Autorin in Wien und schreibt über Politik, Medien und Gesellschaft. Ehemalige taz panter Volontärin, taz eins Redakteurin und taz2&Medien Ressortleiterin.
Mehr zum Thema

4 Kommentare

 / 
Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • Mein Mitgefühl an Saskia Hödl. Das sind zwei sehr krasse Erfahrungen, die bei besserer Betreuung so vielleicht nicht passiert wären.

    Geburten habe ich als Kontrollverlust erlebt (die Natur übernimmt das Kommando, du bist nur noch Körper und Schmerz), darauf sollte in den Geburtsvorbereitungskursen auch irgendwie eingegangen werden, damit der Schock nicht so groß ist.

  • Dieser Artikel hat mich als Vater zweier Kinder, Arzt und langjährigen Partner einer Hebamme interessiert. Irritiert haben mich dabei zunächst die beiden Sätze unter den Überschriften: "Die Vorstellung, dass alle Mütter bei der Geburt auf dem Rücken liegend entbinden, galt als veraltet. Unsere Kolumnistin sieht das inzwischen anders." Es haben noch nie ALLE Mütter in Rückenlage entbunden, deshalb war diese Vorstellung schon immer falsch und kann auch nicht "als veraltet" gelten. Hält Saskia Hödl sie laut dieser Einleitung jetzt etwa trotzdem für richtig?



    Auch nach dem Lesen des ganzen Artikels weiß ich nicht, was Frau Hödl uns mitteilen will. Sie hatte eine traumatische Geburt, die leider durch einen Kaiserschnitt beendet werden musste. Über Geburtspositionen steht hier nichts. Dann schreibt sie über die intensiven Vorbereitungen auf die zweite Geburt (aber nichts darüber, wie sie sich auf die erste vorbereitet hatte), die dann recht unkompliziert und offenbar freiwillig in Rückenlage erfolgte.



    Nichts schreibt Saskia Hödl über die offensichtlich zu frühe und zu hoch dosierte Einleitung der ersten Geburt und die angekündigte erneut zu frühe Einleitung am vierten Tag nach dem Termin (der Verlauf war zu diesem Zeitpunkt unauffällig), die sie zum Glück durch eine Spontangeburt vermeiden konnte.



    Das wäre ein relevantes Thema gewesen: Die offensichtlich mangelnde Betreuung durch kompetente Hebammen und eine bei beiden Geburten durchgeführte bzw. angedrohte zu frühe Intervention durch die Ärzt:innen. Im Vergleich dazu ist die Geburtsposition einer US-Schauspielerin und irgendein Tweet



    dazu irrelevant. Frau Hödl hätte lieber auf ihre Kolumne vom 19.1. verweisen und das mit Forderungen an die zukünftige Bundesregierung verbinden sollen.



    Bei der "Ressortleiterin taz zwei" liest wohl leider keine Kollegin Korrektur, die sich zumindest ein bisschen mit Geburtshilfe auskennt und die Sinnhaftigkeit dieses Artikels hätte hinterfragen können.



    Schade, eine Chance vertan.

  • Komisch, wenn ich Geburten im Fernsehen sah, hatte ich immer das Gefühl, dass da alles schief geht, was schief gehen kann (siehe auch Beispiel Sex Education), und fand es total übertrieben dramatisch.



    Trotzdem danke für den Artikel und mein Mitgefühl für das Trauma deiner ersten Geburt. (Ich hatte eine Geburt, die fast genau meinen Vorstellungen entsprach und eine, die das genaue Gegenteil war und ja: Es gibt nicht die eine richtige Geburt.)

  • 3G
    30208 (Profil gelöscht)

    Nice that you are speaking English so well!