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Weniger Ökostrom-AusnahmenIndustrie sieht Jobs bedroht

Mindestens 900.000 Jobs sind laut BDI bedroht, wenn die Privilegien der energieintensiven Industrie beschnitten werden.

Dramatische Warnung: BDI-Präsident Ulrich Grillo. Bild: dpa

BERLIN taz | Der Bundesverband der Deutschen Industrie sieht durch die Reform-Pläne von Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) massiv Arbeitsplätze in Deutschland bedroht. „Aktuell diskutierte Zusatzbelastungen für Unternehmen, deren Produktion besonders energieintensiv ist beziehungsweise die prozessbedingt Eigenstrom erzeugen, gefährden deren internationale Wettbewerbsfähigkeit massiv“, erklärte BDI-Präsident Ulrich Grillo am Sonntag in einem Rundschreiben (pdf) an Unternehmens- und Verbandsvertreter. „Es geht unmittelbar um mindestens 900.000 Arbeitsplätze im Industrieland Deutschland.“

Bisher bekommen energieintensive Unternehmen erhebliche Vergünstigungen bei der EEG-Umlage, mit der der Ausbau der erneuerbaren Energie finanziert wird. Auf Druck der EU will Gabriel diese Ausnahmen reduzieren. Auch auf Strom aus unternehmenseigenen Kraftwerken, der bisher von den meisten Abgaben befreit ist, soll in Zukunft zumindest eine geringe Umlage fällig werden.

Dagegen protestierte auch der Vorsitzende des Wirtschaftsausschusse, Peter Ramsauer (CSU). Die Novellierung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) „werden wir garantiert nicht so beschließen, wie sie der Minister vorgelegt hat“, sagte der frühere Verkehrsminister der Welt. Unternehmen zu bestrafen, die ihren Strom selbst erzeugen, sei „der helle Wahnsinn“.

Auch Gerhard Schröder, Ex-SPD-Bundeskanzler und aktueller Lobbyist beim Energiekonzern Gazprom, sorgt sich angesichts der Strompreise um die deutsche Industrie: „Erste deutsche Firmen beginnen jetzt, ihre Investitionsentscheidungen zu überdenken“, zitiert Bild aus seinem neuen Buch. „Hier muss die Politik gegenhalten.“

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5 Kommentare

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  • Da soll sich mal Minister Gabriel von Herrn Grillo keine Grille in den Kopf setzen lassen und es getrost darauf ankommen lassen.

     

    Bisher konnte die Union immer erfolgreich mit dem Argument punkten, die unfähige SPD würde jeweils den Rückwärtsgang der Wirtschaft verschulden - wohlwissend, dass dieser immer von der Wirtschaft selbst eingeleitet wurde, um die angstgeplagten Wählerströme in die richtige (bequeme alte) Richtung zu lenken - wieder Union. Die anderen waren nur dann hin und wieder für die eine oder andere schmerzhafte Korrektur zuständig, wenn der Karren wieder mal im Dreck steckte. Wenn dann wieder die Richtung stimmte und der Karren wieder flott war, dann ließ sich die Union wieder wählen und steckte schmunzelnd die unverdienten Lorbeeren ein.

     

    Die jetzige GroKo macht es dem Verband etwas schwerer, aber nur ein wenig. Man kann sich ja den passenden Politiker herauspicken und dann die Sache wieder an ihm festmachen. An unserer GroKoKa gleitet so etwas sowieso wie immer ab.

  • Wenn ich all die Arbeitsplätze, die als Druckmittel von irgendwelchen schmierigen Wirtschaftsonanisten zur Disposition gestellt werden, so es nicht nach ihrer Nase geht, zusammenzähle, müssten wir in Deutschland (grob überschlagen) 5 Milliarden Arbeitnehmer haben. Da wird wohl mal 'ne ordentliche Volkszählung fällig, um diese demographische Entwicklung realitätsnah abzubilden....

  • G
    gast

    Die Industrie sieht nicht Jobs in Gefahr, sollten sie wie jeder andere Mensch auch den Stromverbrauch zahlen müssen, die haben nur Angst, das dann ihre Bankkonten nicht schnell genug wachsen. Um die Zahlungen zu verhindern wird die Politikerriege erpresst damit Leute zu entlassen.

  • N
    Nasowas

    Die Industrie sorgt sich um die Arbeitsplätze der Arbeitnehmer -drollig - im Gegenzug machen sich die Arbeitnehmer Sorgen um die Gewinne der Arbeitgeber.

    Mit der Drohung des Arbeitsplatzverlustes wird heute jede Schandtat gerechtfertigt.

    "Wir mnußten die und die erschießen, sonst hätte es jobs gekostet!"

  • Wann wird die Gesellschaft endlich ihr kollektives Stockholm-Syndrom ablegen und sich nicht länger von der Industrie erpressen lassen? Die unverhohlene Drohung, Menschen zu entlassen, sollte die Industrie auch nur minimal zur Kasse gebeten werden, hat etwas von einer Geiselnahmesituation. Die Geiselnehmer, also die selbsternannten "Investoren" und "Arbeitgeber", halten der Gesellschaft die Knarre vors Gesicht und fordern "lasst uns unseren Profit oder wir zerstören die Existenz der Arbeitnehmer". Und die Politik macht sich oft genug zum Komplizen dieser Geiselnehmer, wie die Wortspende der CDU zeigt. Die Frage ist, ob sich die Gesellschaft aus dieser Geiselnahmesituation überhaupt befreien möchte oder ob die kollektive Identifizierung mit den Geiselnehmern schon so weit fortgeschritten ist?