piwik no script img

Wenig atmungsaktiver Flohmarkt

So langweilig kann Erotik sein: Auf der „Sexpo“im Gaswerk war  ■ Ulrike Winkelmann

Beckenkreisen, wer hätte das gedacht. Beckenkreisen, Haarewühlen und Wenig-Unterwäsche-Anhaben – die physischen Darbietungen auf der „Sexpo“sahen aus, als wäre die Reeperbahn kondensiert für ein paar Tage ins Bahrenfelder Gaswerk gebeamt worden. Allerdings waren Sicht und Luft schlechter.

„Hat sie nun einen Ganzkörperstrumpf an, oder ist ihr Bauch geschminkt?“und „Schafft sie es, fertig zu strippen, obwohl die Michael-Jackson-CD kaputt ist?“waren außer dem angesichts manchen Piercings üblichen „Tut das nicht weh?“die bewegenden Fragen des Freitagabends. Die Empore, von der man sich einen Überblick hätte verschaffen können und die zudem im Programm mit „Höhepunkt“und „Climax Plaza“betitelt war, war „leider von der Behörde nicht freigegeben“und somit gesperrt, wie das sichtlich enervierte Personal mitteilte.

Das Publikum, teils designerbebrillt und -belederjackt, teils mit vo-ku-hi-la (vorne kurz, hinten lang)-Frisur und moonwashed Jeans, schob sich gesammelten Mienenspiels durch enge Messegänge. Pärchen sahen zu, daß sie beieinanderblieben, Gruppen waren um passende Scherze bemüht. Den größten Spaß schienen – wie auch sonst – Tunten zu haben, obschon sich das Gesamtprogramm durchaus heterosexistisch gab.

Der Anteil der Männer, die vermutlich auch sonst allein und im Postverteiler von Beate Uhse sind, nahm mit vorgerückter Stunde zu, die Anzahl derer, die sich mit Kreislaufproblemen im Sanitätswagen vor der Tür erholen mußten, ebenfalls.

Wer durch den Werbefeldzug mit dem braunen Kugelpo, der auch die taz-Leserinnen nicht verschont hatte, aufs Schlimmste gefaßt war, wurde schnell beruhigt. Die meisten Stände verkauften, was sie auch auf der Tattoo-Convention zu Ostern und anderen Flohmärkten verkaufen: nickelfreie Ohrringe für alle Körperteile, Büstenhalter und Hosen aus wenig atmungsaktiven Materialien sowie Kitschpostkarten und Schlüsselanhänger.

Highlight für alle, die über eins-neunzig groß und damit im Stande waren, auf den Bühnen etwas zu sehen: Die Eleonora Art Production bezauberte mit angemalten Körpern, garniert von Schwarzlicht. Tragisch dagegen das groß angekündigte „Porno-Casting mit Ira Hoffmann“. Männer sollten hier 99 Mark dafür bezahlen, sich mit Frau Hoffmann in eine Hertie-Umkleidekabine zu begeben. Ob das, was draußen im Fernseher gezeigt wurde, den Vorgängen drinnen entsprach, war nicht festzustellen.

Trost spendete hernach allein „Mientje“aus Holland: Von dem hübschen Holzauto mit drei Kugelrädern ließ sich jeder gerne zu Demonstrationszwecken den Rücken massieren.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen