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Wem gehört der FußballPlatz da, wenn die Uefa kommt

Warum kann die Uefa Riesengewinne einstreichen, die Kosten aber auf Land und Leute abwälzen? Diese und noch mehr Ungerechtigkeiten rund um die EM.

Polizei schaut mit: Fanzone Gelsenkirchen beim Spiel D-H Foto: dpa

D ie riesige BVB-Fanwelt, ein zweistöckiger Glasbau direkt vor dem Dortmunder Stadion, ist für diese Europameisterschaft zur Hälfte ausgeräumt worden. Auf über 2.000 Quadratmeter werden dort normalerweise nahezu alle Bedarfsartikel des täglichen Lebens in Gelb und Schwarz sowie dem Vereinslogo feilgeboten, damit der Borussenfan beispielsweise auch bei der Gartenarbeit seine Treue demonstrieren und nur noch in Klubfarben schaufeln, harken und rechen kann.

Doch nun hat die Uefa im Erdgeschoss ihr ganzes Sortiment ausgebreitet und die Kassen übernommen. Von der Alltagswelt des Fußballs soll möglichst wenig zu sehen sein, damit die eigenen Produkte zur Geltung kommen. Das Geschäft läuft bestens. Vor dem Spiel der Türkei stehen die Menschen hier Schlange. Die meisten haben ein Nationaltrikot oder irgendetwas anderes Rotes mit Mondstern in der Hand. Sie wollen später dazugehören zum roten Zuschauermeer oder zumindest nicht auffallen. Die überdimensional großen Schaumstoffhände mit ausgestrecktem Zeigefinger gehen trotz des vergleichbar günstigen Preises (10 Euro) und dem Aufdruck „Official Licensed Product of Uefa Euro 2024“ weniger gut weg.

Platz da, wenn die Uefa kommt, heißt es auch an den prominenten Plätzen in den Ausrichterstädten, weil diese zur Auflage gemacht hat, dass die sogenannten host cities jeweils zwei große Fanzonen einzurichten haben. Eine davon steht vor dem Düsseldorfer Schauspielhaus am Gustav-Gründgens-Platz. Kultur und Fußball sollen sich die Hand geben. Im Theaterprogramm ist das Stück „Glaube, Liebe und Fußball“ angekündigt, das in der Fanzone aufgeführt wird. Die Handlung, heißt es, sei „ein imaginäres Fußballspiel vom Einlaufen der Mannschaften bis zur Siegerehrung“.

Regie führten Spezialisten für rasante Komödien mit Tiefgang. Getragen würde das Stück von der Fanperspektive. Das Theater hier dient sich also ebenfalls den Machthabern des Fußballs an und schreibt im Programm immer brav groß „zur UEFA EURO 2024“ bei den Ankündigern dazu. Einen offiziellen Uefa-Fanshop gibt es natürlich um die Ecke.

Dabei sein ist alles. Von der Strahlkraft des Fußballs will offenbar auch das Düsseldorfer Schauspielhaus profitieren. Es gäbe jedoch reichlich interessanten Stoff aus Theaterperspektive. Schließlich werden bei diesem Event nicht gerade kleine Machtfragen verhandelt. Wem gehört dieses Spiel und wer bestimmt die Regeln? Warum kann die Uefa sagenhafte Gewinne einstreichen, die Kosten aber auf die Ausrichterländer und deren Steu­er­zah­le­r:in­nen abwälzen. Warum kann die Uefa in demokratischen Staaten das Demonstrationsrecht im Nahbereich der Stadien außer Kraft setzen? Dieser Fußball ist mehr als eine Komödie mit Tiefgang.

Warum nicht mal außerhalb des angekündigten Programms eine kleine Revolution in der Fanzone der Uefa Euro 2024 anzetteln?

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taz-Sportredakteur
Jahrgang 1971, bis Ende März 2014 frei journalistisch tätig. Seither fest mit dem Leibesübungen-Ressort verbunden.
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6 Kommentare

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Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • Warum kann die UEFA einen "Wettbewerb" gestalten, der den europäischen Gedanken untergräbt und ultrareiche Vereine in reicheren Ländern produziert hat, die sich durch das UEFA-System unaufhaltsam weiter bereichern, während kleinere Staaten fussballerisch dauerhaft ausgelöscht wurden und als Futterkrug für die Reichen herhalten?

    Ah das waren noch Zeiten, Belgrad im Finale...UEFA hat den Fussball komplett aufgeblasen und letztendlich zerstört. Die Zerstörung wird man in den nächsten 10-20 Jahren sehen. Kaum noch jemand wird bei der Flut des immer gleichen Nonsens für den Lebensstil dieser Bengel bezahlen wollen und können.

  • Am Ende geht's vor allem um die Kohle im Profifußball, vor allem für die großen Verbände. Ist jetzt nichts sooo Neues. Ich erinnere mich an die WM 2006 bei einem Vorrundenspiel in Frankfurt, sauteure Getränke, ebenso teure Fanartikel.



    Und natürlich bekommt die UEFA, wie damals die FIFA allerlei Sonderrechte, muss vor allem keine Steuern und nix für die Polizisten und die Fanzonen bezahlen. Nicht nicht so cool, vor allem für diejenigen, die nichts mit der EM am Hut haben, soll es ja auch geben.

  • Ganz einfach: Angebot und Nachfrage. Es gibt viele Länder bzw. Länderverbände, die die EM ausrichten wollen. Aber die EM ist ein rares Gut, es gibt sie nur alle vier Jahre. Also entweder auf die Bedingungen des Eigentümers (der UEFA) eingehen, oder das Turnier findet woanders statt.



    Das Gleiche gilt für Olympia, Fußball-WM, aber auch für die Leichtathletik-WM und andere (nicht nur Sport- ) Ereignisse.

  • Angebot und Nachfrage. Niemand hat Deutschland gezwungen, die EM auszurichten. Überdies: wie bildet man einen imaginären Nutzen in der Wirtschaftlichkeitsrechnung ab? Die WM 2006 hat wohl unbestritten in der gesamten Welt für mehr Imagewinn (und damit auch nachfolgend volkswirtschaftlichen Nutzen) geführt, als über 50 Jahre Außenpolitik.

  • Ja, der Artikel stellt zumindest am Ende die richtigen Fragen. Und die Antworten?

  • Hier hätte ich mir mehr Recherche der TAZ erhofft