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Weltweit größtes PhospatvorkommenNorwegen fürchtet Monstergrube

In Norwegen wurde das weltgrößte Phosphatvorkommen entdeckt. Initiativen warnen vor „einer der größten norwegischen Umweltkatastrophen“.

Hier schlummern riesige Phosphatvorkommen unter der Erde: Region Dalane in Norwegen Foto: ingimage/imago

Stockholm taz | Muss sich die Welt bald keine Sorgen wegen zu wenig Phosphat für die Düngemittelproduktion mehr machen? Die britisch-norwegische Grubengesellschaft Norge Mining hat unlängst in Südwestnorwegen Phosphatfunde im Umfang von nicht weniger als schätzungsweise 77 Milliarden Tonnen gemeldet. Bislang galten Phosphatvorkommen in der Westsahara in einer Größenordnung von rund 50 Milliarden Tonnen als die weltweit größten. Daneben gibt es auch in Russland und China reiche Vorkommen. China ist der derzeit größte Produzent – und die hauptsächliche Bezugsquelle für die EU.

Brüssel führt Phosphor auch auf ihrer Liste „kritischer Rohstoffe“, für die Kriterien die wirtschaftliche Bedeutung für die Gemeinschaftsstaaten und das potentielle Versorgungsrisiko sind. „Wenn man in Europa ein solches Vorkommen findet, das größer ist als jede andere uns bekannte Quelle, dann ist das natürlich bedeutungsvoll“, freut sich Michael Wurmser, Gründer und Vizepräsident von Norge Mining: Der Fund würde dem Westen Autonomie sichern.

Bewahrheiten sich die bisherigen Schätzungen, könne die Nachfrage der Düngemittelwirtschaft und der Bedarf für die Produktion von Solarzellen, E-Auto-Batterien und Chips für fast 50 Jahre gedeckt werden, errechnete das Unternehmen.

Neben Phosphat seien in den fraglichen Bergformationen aber auch abbauwürdige Vorkommen von Titan und Vanadium gefunden worden, teilte Wurmser mit. Diese führt die EU ebenfalls auf ihrer Liste der „kritischen Rohstoffe“. Die erforderlichen Investitionen für einen Grubenbetrieb habe man bereits sichern können, unter anderem über zwei Flugzeughersteller, die an der Titaniumproduktion interessiert seien. Wurmser hofft, spätestens 2028 eine Grube in Betrieb nehmen zu können.

Widerstand bei Anwohnern und Umweltschützern

Die Regierung in Oslo steht solchen Plänen grundsätzlich positiv gegenüber. Wirtschaftsminister Jan Christian Vestre betonte im Juni, wie wichtig sowohl für Norwegen als auch für die EU „eine höhere Selbstversorgungsrate mit kritischen Rohstoffen ist, um die Bausteine für einen grünen und digitalen Wandel zu sichern“.

Er stellte ein beschleunigtes Genehmigungsverfahren in Aussicht, wies aber auch auf noch offene Fragen hin. Einwände der Bevölkerung würden berücksichtigt und es werde nichts genehmigt, das gegen internationale Umweltabkommen verstoße.

Tatsächlich hat sich auch gegen dieses Projekt in Teilen der Lokalbevölkerung und bei Umweltschutzorganisationen bereits Widerstand formiert. Noch sind konkrete Pläne für den Umfang eines möglichen Grubenbetriebs in dem fraglichen Distrikt Dalane nicht öffentlich. Doch KritikerInnen verweisen bereits auf mögliche enorme Umwelteingriffe, die drohen könnten. Die BI „La Dalane Leve“ (Lasst Dalane leben) warnt vor „einer der größten norwegischen Umweltkatastrophen“.

Denn selbst ein Untertagebau, wie er aufgrund der Lage der Vorkommen zu erwarten ist, wäre angesichts der erforderlichen Deponien, Verarbeitungsanlagen und Infrastruktureinrichtungen mit großen oberirdischen Natureingriffen verbunden.

„Giftige Mineralien könnten sich verbreiten“

„La Dalane leve“ rechnet vor, dass aufgrund bisher öffentlich gemachter Daten über den Mineralgehalt der fraglichen Phosphat-, Titan- und Vanadiumvorkommen jede Tonne gefördertes Gestein 0,920 Tonnen Abraum produzieren würde. Die BI befürchtet eine „Monstergrube“ in einer bislang vorwiegend landwirtschaftlich genutzten Region und warnt, „giftige Mineralien könnten sich in der Luft und im Wasser verbreiten und so Mensch, Natur und Nahrungsmittelproduktion bedrohen“.

Außerdem sei da noch die Frage, was mit dem kontaminierten Deponiematerial und dem Prozesswasser geschehen solle. Soll es im Landesinneren oder gar im Meer landen? In Westnorwegen gibt es bereits Streit um ein Grubenprojekt, bei dem Hunderte Millionen Tonnen Abraum einfach in einen Fjord gekippt werden sollen.

Die Regierung in Oslo genehmigte einer anderen Grubengesellschaft namens Nordic Mining, den beim Abbau des Minerals Rutin anfallenden schwermetallhaltigen Abfall im Førdefjord zu deponieren. Norwegen ist das einzige europäische Land, das Meeresdeponien für Grubenabfälle noch erlaubt. Mehrere Umweltschutzorganisationen halten dies für einen Bruch nationaler und internationaler Umweltschutzbestimmungen und haben Klage erhoben. Das Verfahren wird ab 18. September in Oslo verhandelt. Sein Ausgang könnte auch für das Dalane-Projekt von Norge Mining relevant werden.

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6 Kommentare

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  • Tja, wer das Eine, die Unabhängigkeit von den bösen bisherigen Lieferanten will, muss das Andere mögen.

  • Gute Frage:



    Wenn der Abbau in Finnland den Umweltvorschriften der EU widerspricht, dürfen wir dann gemäß EU-Lieferkettengesetz das Phosphat aus Finnland überhaupt importieren?

    • @Rudi Hamm:

      Kritische Rohstoffe=Ausnahmegenehmigung

      • @FancyBeard:

        Exakt so dürfte es wohl kommen.

  • Nun, es wird so laufen wie es immer läuft:



    Die Kosten für die Schürfrechte werden weit unter den Kosten für die Umwelt liegen und die wahren Kosten werden der Allgemeinheit aufgebrummt.

    Das wird in Norwegen kaum anders sein.

  • Die Norweger sind bei Umweltfragen generell etwas entspannter, ist wie bei anderen Ländern mit geringer Bevölkerungsdichte. Die schauen eben schon knallhart auf die Kosten, auch wenn eine breite Mehrheit Umweltverschmutzung ablehnt.