Weltkriegsgedenken in Weißrussland: Wie ein Festmahl zu Pestzeiten
Corona sei nur eine Psychose, gegen die Wodka helfe, sagt Präsident Lukaschenko. Die Parade zum Kriegsende findet deshalb wie geplant statt.
Zwar ist noch nicht klar, wie viele BesucherInnen zugelassen werden. Zudem wurde Veteranen nahegelegt, doch lieber zu Hause zu bleiben. Gleichzeitig berichtet die Nichtregierungsorganisation „Nasch Dom“ (Unser Haus) jedoch, dass die Staatsmacht potenzielle Gäste dazu aufgefordert habe, ohne Schutzmasken zu erscheinen.
„Wir können die Parade nicht absagen“, teilte Lukaschenko am vergangenen Wochenende vor Regierungsvertretern mit. Er habe lange überlegt. Aber diese Sache sei zu emotional und zutiefst ideologisch.
Weniger Gedanken verschwendet Lukaschenko offensichtlich an das tödliche Virus. Corona sei eine Psychose, verkündet er und empfiehlt Wodka, Saunagänge sowie Feldarbeit als wirksame Gegenmittel. In den Fußballstadien wird vor Publikum gekickt wie eh und je, auch das normale Alltagsleben läuft wie immer. Es sei besser aufrecht zu sterben, als auf Knien zu leben, sagte Lukaschenko zur Begründung, warum in Weißrussland Restaurants, Geschäfte und Fabriken die ganze Zeit über offen sind.
Zweifelhafte Zahlen
Der Trotz Lukaschenkos, den Festakt durchzuziehen, stößt auch in der heimischen Bevölkerung auf Kritik. Offiziellen Angaben zufolge sind bislang 19.000 Infektionsfälle in dem Zehn-Millionen-Einwohnerstaat registriert, 112 Menschen sollen in Zusammenhang mit Corona gestorben sein. Doch Beobachter und Experten zweifeln diese Zahlen an.
Unter dem Hashtag #STOPParade hat Nasch Dom einen Aufruf im Internet veröffentlicht. Angesichts von Covid-19 müsse die Sorge um Sicherheit und Unversehrtheit der Menschen für den Staat Priorität haben. Nur die Erinnerung daran, dass jedes menschliche Leben von unschätzbarem Wert sei und Maßnahmen, die neue Opfer der Pandemie verhinderten, machten es möglich, das Gedenken an den Krieg zu bewahren, heißt es darin. „Die Abhaltung der Parade ist jedoch wie ein Festmahl in Zeiten der Pest“, sagt Olga Karatsch, Leiterin von Nasch Dom.
Auch in Moskau, das die Feierlichkeiten abgesagt hat, dürfte sich Lukaschenko mit dem Aufmarsch keine Freunde machen. Ohnehin steht es mit den beiderseitigen Beziehungen nicht zum besten. Seit 1996 existiert eine weißrussische-russische Union, die zu einem gemeinsamen Staatsgebilde führen soll.
Doch bislang ist es bei großspurigen Ankündigungen geblieben. Seit Monaten bemüht sich Moskau dieser Totgeburt neues Leben einzuhauchen. Die Unterzeichnung eines entsprechenden Dokuments scheiterte im vergangenen Dezember erneut an Lukaschenko.
Druck aus Moskau
Seitdem versucht Moskau auf Weißrussland, das in weiten Teilen wirtschaftlich vom Nachbarn abhängig ist, Druck auszuüben. So wurden Subventionen gekürzt und Öllieferungen zu Vorzugspreisen zurückgefahren. Die Folgen sind spürbar. Laut Angaben des unabhängigen Minsker Instituts für Wirtschaftsforschung hat der weißrussische Rubel 20 Prozent an Wert verloren. Zwar lag die offizielle Arbeitslosenquote vor Corona „nur“ bei 4,1 Prozent. Doch bei einer Umfrage des Instituts von Mitte April gab mehr als die Hälfte der Befragten an, dass ihr Einkommen gesunken sei.
Für weitere Verstimmungen in den bilateralen Beziehungen sorgte dieser Tage die Entscheidung in Minsk, zwei russischen Journalisten ihre Akkreditierung zu entziehen. Diese hätten in einem Bericht über das Coronavirus in Weißrussland angeblich falsche Informationen verbreitet.
Wie um die ganze Situation noch anzuheizen, lud Lukaschenko Mitte dieser Woche die Staatschefs der anderen ehemaligen Sowjetrepubliken an, an der Parade in Minsk teilzunehmen. „Die Parade wird vorübergehen, wir alle werden das überleben und die Welle wird abebben“, sagte Lukaschenko. „Alles wird so sein wie immer.“
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