■ Welt Weit Grönling: Tausend Mega sind ein Giga
„Bei der Hitze sterben die Platten wie die Fliegen. Sie sind heut' schon der achte“, sagt der freundliche Computerhändler und schiebt eine Liste mit den Angeboten über den Tresen. Es ist unglaublich, was es alles gibt heutzutage. Bei 1,2 Gigabyte fängt das an und kostet weniger als die Platte, die jetzt abgenippelt ist und nur ein Viertel der Kapazität hatte.
„Hamse nich was Kleineres? Ich brauch' die nur für mein neues Linux und das bißchen Internet.“ „Hamwanich. Und wenn es so was noch gibt, dann sind die auch nicht viel billiger. Die Leute machen Windows heutzutage, und mit all dem Kram brauchen sie die Mega-Monster-Gigaplatten.“
Und die halten nichts mehr aus. Daß ich alle ein bis zwei Jahre eine neue Tastatur brauche, ist normal für einen chaotischen Vielschreiber wie mich. Die klebrige Schicht aus kalter Asche, süßem Espresso, Bier und Wein – kein Hackbrett hält das auf Dauer aus. Aber die Festplatten in den gleichen Intervallen tauschen? Und diesmal ist es nicht die Windows-Platte, da hätte mich das nicht gewundert. Obwohl – die macht auch schon ganz komische Geräusche. Der Händler scheint zu Fachsimpeleien aufgelegt zu sein. Wenn einer Linux macht, muß er schließlich Ahnung haben. Sonst wird das nichts.
„Dann brauchen Sie doch sicher Skasi“, stellt er entschieden fest und deutet auf den unteren Teil der Liste. „Ganz normal würde eigentlich reichen. Preiswert soll sie sein. Und schnell.“ Aber was ist schon normal? Er hält einen Vortrag über die Vorzüge des einen, die Nachteile des anderen Bussystems. Babylon by bus, denke ich mir und entscheide mich für eine – in ihren Dimensionen – kleine SCSI-Platte, weil in meiner berühmten Wühlkiste mit der Aufschrift „Computerschrott“ noch ein Controller liegt, der Adaptec heißt und an den ich so etwas anschließen kann. Als ich vor zwölf Jahren meinen ersten PC kaufte, war ich stolz, eine Festplatte mit immerhin zwanzig Megabyte zu haben. Die kriegste nie voll, dachte ich mir, die reicht fürs ganze Leben. Aber da paßte MS-DOS (das ich schon damals liebevoll „Domestos“ nannte) noch auf eine einzige Diskette.
Jetzt sind wir fast wieder soweit, daß eine zwanziger Platte ausreichen sollte. Geändert hat sich nur das, was hinter der Zahl kommt. Ein „Giga“, das sind tausend „Mega“ – oder 400.000 Kolumnen, wenn man nur die Buchstaben zählt. Aber dann kommt garantiert wieder so ein Riesen- Monster-Gates-System und will zwei Drittel nur für sich allein. Dieter Grönling
dieter@taz.de
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