Welt-Chefredakteur Schmid: Der letzte Dinosaurier
Einst war er 68er, heute ist er Chefredakteur der Welt. Nun scheiterte Thomas Schmid mit dem Versuch, das Springer-Tribunal seiner ehemaligen Weggefährten neu aufzulegen.
Vielleicht geht Thomas Schmid einmal als letzter Chefredakteur von Springers Welt in die Geschichte ein, für den Ideologie kein Schimpfwort war. Für den 61-Jährigen ist die Absage des Springer-Tribunals durch seinen Verlag jedenfalls eine herbe Niederlage. Es "schien mir eine gute Idee zu sein, mehr als 40 Jahre nach dem 1968 begonnenen, dann aber abgebrochenen ,Springer-Tribunal' noch einmal über die Fronten von damals zu diskutieren", schreibt Schmid in einem Editorial zur Absage: "In den Zeitungen aus dem Hause Springer hat damals manches Empörende über die Studentenbewegung gestanden. Und umgekehrt sah diese mit einiger Verbohrtheit in den Blättern des Verlags eine Hetzkampagne gigantischen Ausmaßes am Werke: Springer als Ausgeburt des Bösen." Und Schmid damals mitten unter den 68ern, die gegen Springer zogen.
Zu gern hätte er wohl die Schlacht von einst noch mal geschlagen, jetzt von anderer Warte aus. Platte Renegatenvorwürfe griffen hier zu kurz. Doch ganz klar wird seine Rolle in dem vom Verlag eher als PR-Gag verstandenen Tribunal-Theater nicht: Er wollte ernst nehmen, was gar nicht so gemeint war.
Darauf kommt es aber kaum noch an, denn Schmid, einst auch taz-Autor, führt für seinen Verlag längst verlorene Schlachten: Auch bei der Welt haben das finanzielle Kalkül und die Renditeerwartungen des Gesamtkonzerns Axel Springer AG längst über die Intellektuellen von damals gesiegt. Das zeigt nicht zuletzt die von Schmid redaktionell mit verantwortete kleine Welt kompakt, die als fast ideologiefreies Desiderat von "großer" Welt und Berliner Morgenpost daherkommt. Und für die Auflagenzuwächse und die - laut Springer zweistelligen - Millionengewinne bei der Welt-Gruppe sorgt.
Als Thomas Schmid 2006 Welt-Chefredakteur wurde, hatte sich auch ein anderer Hoffnungen auf den Posten gemacht: der damalige Bild am Sonntag-Lenker Claus Strunz. Strunz darf derzeit in Hamburg verkünden, das von ihm geführte Hamburger Abendblatt sei die viertwichtigste Zeitung Deutschlands. Und viele bei Springer halten Strunz Ehrenrunde über die Hansestadt nur als Warmlaufen für die Welt in Berlin. Dann, wenn Schmid in Rente geht.
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