Weitergabe von Abtreibungsadressen: Beihilfe zur Straftat
Ärzt*innen, die Daten einer ausländischen Abtreibungsklinik nennen, können verurteilt werden. Frauen nur, wenn sie sich nicht haben beraten lassen.
Nach niederländischem Gesetz sind Abtreibungen bis zur 24. Woche nach der letzten Regelblutung legal. Vorgeschrieben ist ein Beratungsgespräch mit einer Ärztin oder einem Arzt sowie eine Bedenkzeit von fünf Tagen. Nach der 24. Schwangerschaftswoche, dem Beginn der Lebensfähigkeit außerhalb des Mutterleibs, gelten Abtreibungen auch in den Niederlanden als Straftat. Ausnahmen sind nur nach eingehender Prüfung möglich.
Deutsche Ärzt*innen und Berater*innen dürfen gegenüber Betroffenen angeben, dass in anderen Ländern andere Abtreibungsgesetze gelten. Wer aber einer Frau die Adresse einer holländischen Abtreibungsklinik nennt, kann wegen Beihilfe zu einer Straftat verurteilt werden – denn eine solche bleibt der Schwangerschaftsabbruch, selbst wenn die Frau sich nach §218a nicht strafbar macht.
Das erklärt der Strafrechtsprofessor Hans Kudlich von der Universität Erlangen-Nürnberg. Kudlich hat in den Juristischen Arbeitsblättern ein Urteil des Oberlandesgerichts Oldenburg kommentiert. Dieses hatte 2013 den Fall eines Arztes verhandelt, der einer in der 17. Woche schwangeren Patientin einen Zettel mit der Adresse der Klinik in Utrecht gegeben hatte.
Freispruch vor dem Landgericht Aurich
Der Arzt wurde letztendlich vom Landgericht Aurich, wohin der Fall zurück verwiesen worden war, freigesprochen. Das sagte ein Sprecher der Staatsanwaltschaft der taz. Nach Kudlichs Einschätzung kann ein Gericht zu dem Schluss kommen, dass ein Arzt adäquat im professionellen Sinne – und damit nicht strafrechtlich relevant – handelt, wenn er einer Patientin einen medizinischen Rat gibt, wo sie die beste Behandlung erfahren würde.
Laut der Polizeilichen Kriminalstatistik ermittelt die Polizei seit 2009 jährlich in 70 bis 80 Fällen wegen des Verstoßes gegen den Paragrafen 218. Hinzu kommen weitere Verfahren bei den Staatsanwaltschaften. In vielen Fällen handelt es sich nach taz-Recherchen um Untersuchungen nach Fetoziden, wenn also Föten vor dem Abbruch getötet werden.
Wenn Staatsanwaltschaften die rechtsmedizinischen Akten nach einem Fetozid nicht reichen, leiten sie von Amts wegen ein Ermittlungsverfahren ein. Aus diesem Grund hat die Universitätsklinik Gießen nach Angaben des Direktors des rechtsmedizinischen Instituts, Reinhard Dettmeyer, 2012 ein systematisches Verfahren eingeführt, das die Anforderungen der Staatsanwaltschaft erfüllt. „Seitdem haben wir keine strafrechtlichen Ermittlungsverfahren und Beschlagnahmungen von Föten gehabt.“
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