Weitere Reaktionen auf Atom-Einigung: Obama beschwört, Hisbollah begrüßt
Die Atom-Einigung werde die Welt sicherer machen, sagte der US-Präsident auch mit Blick auf Israel. Iranische Zeitungen kritisiern die Rahmenvereinbarung.
WASHINGTON/TEHERAN/BEIRUT dpa/afp/rtr | US-Präsident Barack Obama hat am Samstag in seiner wöchentlichen Rundfunkansprache die Kritiker der jüngsten Atom-Einigung mit dem Iran beschworen, die sich bietende „historische Chance“ nicht zu verpassen. „Es ist ein guter Deal“, sagte Obama. Voll umgesetzt werde er verhindern, dass der Iran in den Besitz einer Atomwaffe komme und damit „unser Land, unsere Verbündeten und die Welt sicherer machen“.
Am Freitagabend hatte Obama direkt mit Benjamin Netanjahu telefoniert. Ein Sprecher an Bord des Präsidentenflugzeugs „Air Force One“ sagte am Freitag, die Regierung verstehe die Bedenken des israelischen Ministerpräsidenten. Präsident Obama würde aber niemals ein Abkommen unterzeichnen, das eine Bedrohung für den Staat Israel sein könnte. Zumal die Sorgen wegen des Iran, die die USA neben dem Atomprogramm hätten, genau so groß seien wie zuvor.
Netanjahu hatte das am Donnerstagabend erzielte Eckpunkte-Abkommen zur Beschränkung des iranischen Atomprogramms als Gefahr für das Überleben seines Landes bezeichnet. Für das bis Ende Juni angestrebte endgültige Abkommen forderte der Ministerpräsident eine klare Zusicherung, dass der Iran Israels Existenzrecht anerkenne. Die fünf UN-Vetomächte und Deutschland wollen mit den Verhandlungen verhindern, dass der Iran unter dem Deckmantel eines zivilen Kernenergie-Programms Atomwaffen baut.
Bundesentwicklungsminister Gerd Müller (CSU) hat nach dem Durchbruch im Atomstreit mit dem Iran Verständnis für die Sorgen Israels gezeigt. Israels Sorgen um Sicherheit und Frieden seien „stets zentral für alle Überlegungen Deutschlands und Europas“, sagte Müller der Passauer Neuen Presse. Die Einigung bei den Atomgesprächen in Lausanne sei jedoch „von richtungsweisender Bedeutung“. Der Iran verpflichte sich damit zur einer „verbindlichen Kontrolle seines Uranprogramms“.
Dies sei „für die Krisenregion, für Israel und für Europa von zentraler Bedeutung“, sagte Müller. Der Minister lobte zudem, dass es bei den Atom-Verhandlungen gelungen sei, „dass die USA, Russland, der Iran und die Europäer zur Sicherung des Friedens erfolgversprechend zusammenarbeiten“.
Zurückhaltung aus Ägypten und Saudi-Arabien
Ägypten hat auf das Rahmenabkommen der UN-Vetomächte und Deutschlands mit dem Iran zur Beilegung des Atomstreits zurückhaltend reagiert. Kairo hoffe, dass auch die später zu erzielende bindende Vereinbarung mit dem Iran „zur Stabilität im Nahen Osten beitragen und ein endloses Wettrüsten (in der Region) stoppen wird“, hieß es in einer Stellungnahme des ägyptischen Außenministeriums, die am Samstag in Kairo veröffentlicht wurde.
Das bevölkerungsreichste arabische Land nimmt damit eine ähnliche Haltung ein wie das ölreiche Saudi-Arabien. In einem Telefongespräch mit US-Präsident Barack Obama hatte der saudische König Salman seine „Hoffnung auf Sicherheit und Stabilität“ in der Region geäußert, wie am Freitag in Riad bekannt wurde.
Die pro-iranische Hisbollah im Libanon hat die Rahmenvereinbarung im Atomstreit als Erfolg für die Führung in Teheran bezeichnet. „Es ist ein wirklich großer Sieg für den Iran und eine Anerkennung seines Status und seiner Rolle in der Region und in der Welt“, sagte Scheich Naim Kassem, der stellvertretende Generalsekretär der Organisation, am Samstag der dpa in Beirut. „Es ist ein Sieg des freien Willens der Völker“, fügte er hinzu.
Die Hisbollah ist ein dominierender Akteur des stark polarisierten politischen Geschehens im Libanon. Sie wird vom Iran mit Geld und Waffen unterstützt und schickt ihrerseits Milizkämpfer ins benachbarte Syrien. Die Hisbollah steht im Bürgerkrieg auf der Seite des pro-iranischen Machthabers Baschar al-Assad.
In der iranischen Presse sind die Rahmenvereinbarung zu Irans Atomprogramm ist teilweise mit Skepsis aufgenommen worden. Konservative Zeitungen äußerten am Samstag insbesondere Kritik an den vagen Bestimmungen zur Aufhebung der in dem Streit verhängten Finanz- und Handelssanktionen. Die Zeitung Vatan-Emrooz kritisierte, es gebe einen großen Unterschied zwischen dem, was der Iran an Zugeständnissen beim Atomprogramm für die Vereinbarung von Lausanne mache und dem, was er im Gegenzug an Sanktionserleichterungen erhalte.
Die Nachrichtenagentur Fars hob zudem hervor, dass es Unterschiede zwischen dem Text gebe, der in Lausanne von der iranischen Delegation als Vereinbarung präsentiert wurde, und dem ausführlicheren Aktionsplan, den das US-Außenministerium vorlegte. Die den Revolutionsgarden nahe stehende Zeitung Dschawan schrieb, in den anstehenden Verhandlungen zur Ausarbeitung des endgültigen Vertragstextes werde sich der Sieg „im Kampf um die verschiedenen Interpretationen“ der Vereinbarung entscheiden.
(K)eine Win-Win-Vereinbarung
Die ultrakonservative Zeitung Keyhan schrieb ironisch, es sei eine Win-Win-Vereinbarung: „Das Atomprogramm geht, die Sanktionen bleiben.“ Chefredakteur Hossein Schariatmadari schrieb im Leitartikel, die Zugeständnisse des Iran seien klar und überprüfbar, während die Gegenleistungen vage und unterschiedlich auslegbar seien. „Die Vereinbarung spricht von einer Aussetzung der Sanktionen, nicht von ihrer Aufhebung“, kritisierte Schariatmadari zudem, der direkt vom geistlichen Oberhaupt Ayatollah Ali Chamenei ernannt worden ist.
Chamenei, der in der Außenpolitik das letzte Wort hat, hat sich bisher nicht zu der nach zähen Verhandlungen am Donnerstagabend in Lausanne vorgelegten Vereinbarung geäußert. Chamenei hatte die Erfolgsaussicht der Verhandlungen wiederholt skeptisch bewertet, aber grundsätzlich die Bemühungen von Präsident Hassan Ruhani und seinem Außenminister Mohammed Dschawad Sarif unterstützt, durch die Lösung des jahrelangen Atomkonflikts eine Aufhebung der schmerzhaften Sanktionen zu erreichen, die im Iran eine Wirtschaftskrise ausgelöst haben.
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