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Weitere Demo gegen Stuttgart 21Stress, lass nach!

Erneut demonstrieren am Wochenende tausende Menschen in Stuttgart gegen das Bahnprojekt. Kaum ein Bahnhofsgegner traut dem Stresstest noch.

Neue Debatte um Stuttgart 21: Demonstration am Samstag. Bild: reuters

BERLIN taz | Stress hier, Stress da, Stress überall. Weil sie den Ergebnissen des unabhängigen "Stresstests" zur Belastbarkeit des geplanten unterirdischen Tiefbahnhofs nicht trauen, gehen die Gegner des umstrittenen Bahnprojekts in Stuttgart erneut in die Offensive. Mehrere tausend Menschen demonstrierten am Samstag in der baden-württembergischen Landeshauptstadt für einen "Baustopp für immer" und forderten, alle Kosten, die im Zusammenhang des umstrittenen Bauprojekts abzusehen sind oder anfallen könnten, voll transparent zu machen. Während die Polizei von 7.000 TeilnehmerInnen sprach, zählten die Veranstalter etwa 15.000 Menschen, die unter anderem eine Menschenkette um den von ihnen verehrten oberirdischen Kopfbahnhof bildeten.

In der letzten Woche war die Debatte um die Zukunft des umstrittenen Mammutprojekts erneut intensiv befördert worden. Hintergrund ist die anstehende Veröffentlichung der Ergebnisse eines sogenannten Stresstests. Die Durchführung dieses Belastungstests - eine Computersimulation, durchgeführt von der unabhängigen Schweizer Bahnberatungsfirma SMA - war eine der zentralen Auflagen eines Schlichtungsverfahrens zwischen GegnerInnen und BefürworterInnen des Bauprojekts gewesen, das von CDU-Politiker Heiner Geißler moderiert worden war.

Zuletzt hatte die Deutsche Bahn AG allerdings selbst durchsickern lassen, sie habe diesen Stresstest bestanden - und damit den möglichen Ergebnissen der unabhängigen Prüfung vorausgegriffen. Denn noch sind die Ergebnisse nicht offiziell bekannt gegeben worden. Ihre Präsentation wurde sogar gerade erst verschoben und ist nun für den 21. Juli geplant.

Kaum Vertrauen in Testergebnis

Weil sich GegnerInnen und BefürworterInnen in dem Schlichtungsverfahren für den Stresstest ausgesprochen hatten, ist die Deutung der Ergebnisse von zentraler Bedeutung für den weiteren Verlauf des Baus, durch dessen Realisierung Kosten in Milliardenhöhe entstehen würden. Bahnhofsgegner stellten deshalb am Sonntag in Stuttgart die Ergebnisse eines eigenen Stresstests vor. Dabei kommen sie, wenig überraschend, zu dem Ergebnis, dass der geplante Tiefbahnhof nicht ausreichend belastbar ist.

Marc Braun, Sprecher der Gruppe Ingenieure für den Kopfbahnhof, sagte der taz: "Die Engpässe des neuen Bahnhofs sollen angeblich die Vorzüge sein. Es ist aber für jeden absehbar, dass die kurzen Haltezeiten und die sehr engen Taktungen der Züge sehr schnell zu Kettenreaktionen und Verspätungen führen werden." Braun fordert von der Bahn, die Berechnungsparameter, auf deren Basis der Stresstest durchgeführt wurde, offenzulegen.

Doch unabhängig davon ist das Vertrauen in das Ergebnis der Prüfung klein. Der Sprecher der sogenannten aktiven Parkschützer, Matthias von Herrmann, sagte der taz: "Der sogenannte Stresstest kann nur zu zwei denkbaren Ergebnissen führen: Entweder wird endlich festgestellt, dass der neue Bahnhof nicht zuverlässig funktionieren wird. Oder es wurde getrickst."

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6 Kommentare

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  • T
    Tom

    OK, ich werde jetzt in Zukunft meine Steuererklärungen selbst prüfen. Klar, dass ich dann keine Steuern mehr zahlen muss. Hat jemand was dagegen?

  • H
    hann0s

    Ich finde die grenzenlose Naivität der s21 Befürworter belustigend. Da ist es einfach völlig unvorstellbar und ausgeschlossen, dass bei einem Stresstest, der von der Bahn selbst durchgeführt wird, der in manchen Details nicht nachgeprüft werden kann und bei dem es um ein Milliardenprojekt geht, getrickst wird. Unmöglich!

     

    Wobei man hier natürlich nochmal die grenzenlose naivität der Gegner in den vordergrund stellen muss, sich mit einem Geißler als vermittler einer Schlichtungsrunde, die man nur verlieren kann, anzuschließen. Von dem schwachsinnigen Stresstest mal ab. Das beschissen wird war klar, es lässt sich nur verdammt schlecht verkaufen wenn man drauf eingegangen ist wie man jetzt sieht.

  • N
    nihi.list

    "Kaum ein Bahnhofsgegner traut dem Stresstest noch."

     

    Natürlich nicht, denn dann müßte man ja nach der Veröffentlichung zugeben, dass man selber im Unrecht war/ist.

  • P
    peter.g

    Hier liegt ein entscheider Irrtum vor. Nicht die unabhängige Firma SMA sondern die Bahn selbst hat seit Dezember den Stresstest durchgeführt. SMA hat jetzt lediglich 3 Wochen Zeit, diese Simulation zu prüfen.

    Es war bereits im Dezember "klar", dass die Bahn ihren Stresstest schafft. Klar? Die Frage ist: Wie verspätungsrobust ist ein Bahnhof/Fahrplan. Man kann ihn mit dem Computer optimieren. So lange, bis 49 Züge reinpassen. Man kann auch dokumentieren, dass der Betrieb nicht zusammenbricht wenn Zug A 12 Minuten, Zug B 17 Minuten und Zug C 29 Minuten Verspätung hat. Natürlich lassen sich durch eine Simulation immer ein oder mehrere Fälle finden bei dem das problemlos klappt. Aber was passiert wenn Zug A 9 Minuten, B 19 Minuten und C 25 Minuten Verspätung hat, oder C 2 Minuten, A 3 Minuten und B 5 Minuten, oder ... . Hier kann der Fahrplan über Stunden bis Hamburg zusammenbrechen. Darüber gibt das eine Einzelergebnis keine Auskunft. Denn der Zeitkorridor ist knapp: 49 Züge pro Stunde durch 8 Gleise macht im Mittel nur 9,8 Minuten pro Zug für Einfahrt, Aussteigen, Einsteigen, Ausfahrt, Blockstelle freimachen. Macht zumindest 6-7 Minuten. Nur wer die Simulation durchführt weiß, welcher Anteil der unendlichen Kombinationsmöglichkeiten zum Systemzusammenbruch führt. Er muss es aber nicht wahrheitsgemäß dokumentieren. Und SMA kann nicht prüfen, was nicht dokumentiert ist, ohne eine eigene Simulation durchzuführen. Was den bestehenden Kopfbahnhof angeht wissen wir dagegen, dass 1969 laut Kursbuch 51 Planzüge zur Spitzenstunde real gefahren wurden, als die Bahn ihre Pünktlichkeit noch mit 99,x % auf dem Stuttgarter Bahnhof plakatierte.

  • I
    Ilmtalkelly

    Es ist bewundernswert, wie lang S 21- Protagonisten ihre billigen Stresstest- Hypothesen mit der Gelassenheit eines Esels aufrechterhalten. Es ist für die Bahn und ihre Lobbyisten faktisch schon längst verloren. Politisch ist für die Bosse eine Niederlage in S 21 zur Zeit einfach zu disaströs.

  • F
    Fordler

    Matthias von Herrmann, sagte der taz: "Der sogenannte Stresstest kann nur zu zwei denkbaren Ergebnissen führen: Entweder wird endlich festgestellt, dass der neue Bahnhof nicht zuverlässig funktionieren wird. Oder es wurde getrickst."

    Die dritte Möglichkeit steht gar nicht zur Debatte. Genau so würde es auch nach einer Volksabstimmung weiter gehen. Wenn das Ergebnis nicht passt, wurde "getrickst".