Weiße Flecken: LeereRäumebauen
Hamburger Kunsträume
von Hajo Schiff
Nicht nichts, vielmehr alles enthalten weiße Bilder, wenn der Blick nur lang genug darauf verweilt. Die Augen wollen etwas erkennen und gaukeln den Sinnen feine Nuancen vor. Die Fantasie fängt an zu arbeiten und füllt die weißen Flecken. Einst gab es sie auch auf den Karten der Welt, gelegentlich gibt es sie noch auf Stadtplänen. Dort verweisen sie auf Brachland, auf Reste undefinierten Gebiets. Das ist für alle Passanten durch Träume zu besetzen. Von manchen wird es ganz konkret in Besitz genommen, ohne Rücksicht auf Absperrungen und Pläne des Eigentümers.
Die Fotografin Sarah Hildebrand befasst sich seit Jahren mit solchen Stadtbrachen, dokumentiert die Unkraut genannte Restnatur, zeigt verlassene Alltagsobjekte, leere Flaschen und provisorische Holzhütten. Mit ihrer Kamera und bewaffnet mit Hundekuchen für Wachhunde von Besitzern oder Besatzern, gewinnt sie diesen maroden Plätzen samt der Graffiti und den vom Wind gebeutelten Plastiktüten einen nostalgischen Charme ab. Denn diese unterdeterminierten Spielfelder für Tagträumer und nicht immer freiwillige Außenseiter verschwinden und weichen zweckbetonten Architekturen und durchgeplanten Plätzen.
Doch Fotos allein sind Sarah Hildebrandt nicht genug. Sie hat rund 30 weitere KünstlerInnen, MusikerInnen und Wissenschaftler motiviert, im Westwerk Beiträge zum Thema zu präsentieren. Bis zum 28. Januar werden täglich Fragen der städtischen Raumordnung behandelt, wird in der eigens aufgebauten Bruchbude Suppe gekocht und neben der Kunst Party gemacht. Analog zu dem, wie eine Brache im durchbestimmten Stadtraum funktionieren kann, wird hier der Ausstellungsraum als Freiraum benutzt. Der aber ist per Definition ein – weißer – Möglichkeitsraum.
Viel schwieriger ist es, problematische Brachen zu erhalten. Wie notwendig das wäre, zeigt nicht nur die Erinnerung an die Zeit des noch nicht gänzlichen Wiederaufbaus nach dem Kriege, es manifestiert sich auch in der Änderung der Stimmung in Berlin, das in den letzten Jahren zunehmend seiner Brachen verlustig geht. Ein Paradox ist zu fordern: „weiße“ Stadtplanung, die Planfeststellung ungeplanter Leere. Aber wie können bewusst Leerräume gebaut werden, ohne dass ein gewöhnlicher Park oder ein Abenteuerspielplatz entsteht? Oder bloß Kunst?
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