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■ StandbildWeise wie ein Brie

„Winnetous Rückkehr“ Sa./So., 20.15 Uhr, ZDF

Zäh wie Leder, hart wie Kruppstahl und die Frisur schnittig wie beim Windhund, das war vorzeiten der anständige deutsche Junge. Der anständige deutsche Junge made in Western Germany tat sich schwerer. Und wenn die Pubertät hereinbrach, ritt er auf dem pfeilschnellen Rih durchs Land der Skipetaren. Ohne zu wissen, wohin, strebte er unweigerlich empor ins Reich des Edelmenschen. Der edelste Edelmensch war Winnetou, der am Ende von „Winnetou III“ von feiger Hand starb. Blutsbruder Old Shatterhand war bei ihm, als er seine Seele mit den geflügelten Worten aushauchte: „Charlie, ich sterbe als Christ.“

Wer da (1965 im Kino und später noch oft im Fernsehen) nicht weinte, hatte ein Herz von Stein oder das Oberhausener Manifest unterschrieben. Pierre Brice spielte vom Blatt weg, was Karl May zusammengesülzt hatte: „Sein Gesicht war edel geschnitten, fast römisch, die Farbe ein mattes Hellbraun mit einem Bronzehauch.“ Der deutsche Junge verliebte sich auf der Stelle in den französischen Winnetou, flocht sich ein Stirnband und weihte sich von Stund an der einzig wahren, also der Männerliebe. Wären nicht bald darauf Halbblut Apanatschi und Uschi Glas aufgetaucht, der Junge hätte womöglich nie zurückgefunden aus den dark and bloody grounds und müßte heute safer sex praktizieren. Ach, Winnetou!

Winnetou, stellt sich jetzt heraus, ist gar nicht tot und verwest, sondern hat in einer Höhle überlebt. Zäh wie Büffelfleisch, weich wie französischer Käse und sterbenslangsam kehrt er wieder, spricht weise Worte wie Wolfgang Neuss im Endstadium und widersteht heldenmütig den nassen Nippeln einer blonden Frau, der Trottel. Nur ein toter Winnetou ist ein guter Winnetou. Willi Winkler

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