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WehrpflichtdebatteDoppelt daneben

Pascal Beucker

Kommentar von

Pascal Beucker

Die Union torpediert das Freiwilligenmodell von Boris Pistorius. Dabei kann es durchaus funktionieren, wenn die Bundeswehr attraktiver gemacht wird.

Werbug der Bundeswehr, gesehen im Januar 2024 in Berlin Foto: Dirk Sattler/imago

D ie Debatte um eine Wiedereinführung der Wehrpflicht reißt nicht ab. Aus der CDU und der CSU überschlagen sich geradezu die Stimmen, die die Rückkehr zum militärischen Zwangsdienst nicht nur propagieren, sondern für unausweichlich halten. Dass deswegen nun sogar die erste Lesung des neuen Wehrdienstgesetzes nicht wie geplant in dieser, sondern erst in der nächsten Woche stattfinden soll, zeigt dabei, dass es der Union vor allem um demonstrative innenpolitische Feldvorteile auf Kosten der SPD und ihres Verteidigungsministers Boris Pistorius geht.

Ginge es ihr bloß um die Sache, würde sie ihre Änderungsbegehren in das übliche parlamentarische Verfahren einbringen – und zwischen der ersten und der finalen dritten Lesung auf das alte Bonmot des früheren SPD-Fraktionsvorsitzenden Peter Struck bauen: „Kein Gesetz verlässt den Bundestag so, wie es hereingekommen ist.“

Allerdings liegt die Union auch in der Sache daneben. Die Pläne von Pistorius, auf freiwilliger Basis die Truppenstärke sukzessive bis Anfang der 2030er Jahre von derzeit rund 183.000 auf 260.000 Sol­da­t:in­nen anwachsen zu lassen, sind keineswegs unrealistisch. Laut einer aktuellen Forsa-Umfrage können sich immerhin 16 Prozent aller 14- bis 29-Jährigen grundsätzlich vorstellen, zur Bundeswehr zu gehen, bei den jungen Männern sind es sogar 30 Prozent. Das wären weit mehr als genug. Eine Voraussetzung, um die anvisierte Zielzahl zu erreichen, ist jedoch, dass der Wehrdienst deutlich attraktiver wird, und zwar sowohl monetär wie auch strukturell.

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Woran die Forsa-Umfrage aber auch keinen Zweifel lässt: Mit 63 Prozent ist eine große Mehrheit der jungen Menschen gegen einen militärischen Zwangsdienst, bei einer Rückkehr zur Wehrpflicht nur für Männer ist die Ablehnung noch weitaus größer. Die SPD sollte sich sehr gut überlegen, ob sie sich von der Union weichkochen lässt. Der Preis könnte hoch sein, erscheint sie doch schon jetzt für junge Menschen nicht mehr besonders attraktiv.

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Pascal Beucker
Inlandsredakteur
Jahrgang 1966. Arbeitet seit 2014 als Redakteur im Inlandsressort und gehört dem Parlamentsbüro der taz an. Zuvor fünfzehn Jahre taz-Korrespondent in Nordrhein-Westfalen. Seit 2018 im Vorstand der taz-Genossenschaft. Sein neues Buch "Pazifismus - ein Irrweg?" ist Mitte vergangenen Jahres im Kohlhammer Verlag erschienen.
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1 Kommentar

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  • Ich teile die Einschätzung.



    Wie seit Beginn der Regierungsbildung, ist die Union im Selbstdarstellungsmodus.



    Innen- und Außenminister versuchen ins Verteidigungsministerium hinein zu regieren.



    Das zeugt von völlig unangebrachtem Selbstbewusstsein.



    Zum Thema: Es ist eigentlich völlig irrelevant, ob man/frau für einen Wehrdienst ist, oder einen Freiwilligendienst.



    Der Fahrplan des schwedischen Modells ist der einzig machbare.



    Es war die Union, die den Wehrdienst abgeschafft hat, das will sie mit viel TamTam vergessen lassen.



    Es gibt keine Wehrerfassung mehr, die Kreiswehrersatzämter sind aufgelöst.



    Es gibt keine Kasernen mehr, die eine solche Menge an Rekruten aufnehmen könnten und es gibt auch keine entsprechende Anzahl an AusbilderInnen.



    Die "Forderungen" der Union sind nichts als heiße Luft.



    Sie behindert zudem den Beginn der Wehrerfassung.



    So oder so muss der "Dienst" attraktiver werden - den Anfang hat Pistorius, beispielsweise mit einer höheren Besoldung, bereits gemacht.



    Angesichts der Bedrohungslage brauchen wir ein stringentes Vorgehen und keine Möchtegern Experten von der Union.



    Manchmal muss man Gas geben, statt auf der Bremse zu stehen!