Wegen rassistischer Beleidigung: Exemplarische Strafe verhängt
Eine Ex-Kandidatin des Front National muss wegen rassistischer Beleidigung für neun Monate in Haft. Der FN sieht einen „juristischen Hinterhalt“.
PARIS taz | Das Gericht von Cayenne in Französisch-Guyana hat Anne-Sophie Leclère, eine Exkandidatin des Front National in Rethel in den Ardennen, wegen rassistischer Beleidigung der Justizministerin Christiane Taubira zu neun Monaten Haft ohne Bewährung, 50.000 Euro Bußgeld und fünfjährigen Verlust der Wählbarkeit verurteilt. Leclère hatte 2013 auf Facebook eine Fotomontage der aus Guyana stammenden Ministerin publiziert, auf der diese einem Äffchen gleichgesetzt wurde.
Uneinsichtig versuchte Leclère dies vor Fernsehkameras als Humor zu rechtfertigen. Als man ihr klar machen wollte, dass der Affenvergleich nach französischem Gesetz ein Delikt sei, meinte sie erbost über die ihr politisch nicht genehme Taubira, diese sei „eine Wilde“, deren Platz eher auf Ästen der Bäume sei als in einem Ministerium.
Die FN-Führung sah sich daraufhin gezwungen, sich vor den Gemeindewahlen von dieser kompromittierenden lokalen Spitzenkandidatin zu distanzieren und sie aus der Partei auszuschließen. Bei dieser internen Sanktion wollte es aber Taubira nicht belassen. Sie selbst hat nicht Klage eingereicht, aber die von ihr gegründete Organisation Walwari in Guyana. Darum fand die Verhandlung in diesem französischen Überseedepartement statt. Weder die Angeklagte, die in Rethel einen Laden führt, noch ihr Anwalt waren zum Prozess erschienen.
Das stimmte das Gericht sicher nicht nachsichtig. Der Richter, der offenbar ein exemplarisches Urteil gegen den Rassismus fällen wollte, ging über den Strafantrag der Staatsanwaltschaft hinaus. Die hatte fünf Monate verlangt. Leclère meint weiterhin, sie habe sich nichts vorzuwerfen. „Das ist völlig disproportioniert. Ich bin keine Delinquentin.“ Sie will gegen das Urteil Berufung einlegen.
FN sieht „Hinterhalt“
Der FN wurde in derselben Sache zu 30.000 Euro verurteilt. In einer Erklärung der Partei wird der Prozess als „juristischer Hinterhalt“ diskreditiert und dem Gerichtspräsidenten Parteilichkeit vorgeworfen. Er sei bekannt als Mitglied der Richtergewerkschaft Syndicat de la Magistrature. Diese wird vom FN als politischer Gegner eingestuft.
Vergeblich hatte der FN verlangt, der Richter müsse in den Ausstand treten. Es handle sich um „die schwerste Verurteilung wegen des Rechts auf freie Meinungsäußerung seit Langem“. Als „unverhältnismäßig“ kritisierte FN-Vize Florian Philippot das Strafmaß. FN-Gründer Jean-Marie Le Pen verglich das Gericht mit der „stalinistischen Justiz von Nordkorea“ und meint, die Richter in Guyana hätten die „Moral vergewaltigt“ und „das Gesetz verraten“.
Taubira sagte am Mittwoch in einer kurzen Reaktion, in Frankreich würden Richter nach dem Gesetz und nicht nach irgendwelchen Fantasievorstellungen urteilen. Regierungssprecher Stéphane Le Foll forderte von allen Respekt für die Unabhängigkeit der Justiz.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
„Edgy sein“ im Wahlkampf
Wenn eine Wahl als Tanz am Abgrund verkauft wird
Denkwürdige Sicherheitskonferenz
Europa braucht jetzt Alternativen zu den USA
Tabubruch der CDU
Einst eine Partei mit Werten
Erpressungs-Diplomatie
Wenn der Golf von Mexiko von der Landkarte verschwindet
Jens Bisky über historische Vergleiche
Wie Weimar ist die Gegenwart?
Jugendliche in Deutschland
Rechtssein zum Dazugehören