Wegen "persönlicher Attacken": Integrationsministerin sagt Türken ab
Weil sie den Einbürgerungstest verteidigt, haben Migrantenverbände Integrationsministerin Böhmer heftig kritisiert. Die sagt nun die Teilnahme am Bundeskongress der Türkischen Gemeinde ab.
Es sollte das erste Mal sein, dass die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Maria Böhmer, den Bundeskongress der Türkischen Gemeinde in Deutschland besucht. Doch daraus wird nichts. Die CDU-Politikerin hat ihre Teilnahme an dem am Wochenende stattfindenden Kongress kurzfristig abgesagt. Ihre Begründung: "Persönliche Attacken" von einem der Landesverbände, dem Türkischen Bund in Berlin-Brandenburg (TBB). Dieser hatte den vom Innenministerium geplanten, bundesweit einheitlichen Einbürgerungstest kritisiert und dabei auch Böhmer angegangen, die das Vorhaben verteidigt hatte. Die Unterstützung des Tests durch die Integrationsbeauftragte zeige, dass Böhmer "mit ihrer Aufgabe überfordert" sei, hieß es in einer Pressemitteilung des TBB.
Der Einbürgerungstest soll zum 1. September eingeführt werden. Einbürgerungswillige müssen dann, um den deutschen Pass zu erhalten, 33 Fragen zur deutschen Politik, Geschichte und Kultur beantworten. Der Türkische Bund in Berlin-Brandenburg fragte daraufhin: "Wie viel Fragen könnten Sie beantworten, Frau Prof. Böhmer?"
Böhmer gibt nun die Beleidigte. "Auf diesem Niveau diskutiere ich nicht", begründete sie die Absage ihrer Kongressteilnahme. "Wer seine Kritik an politischen Vorhaben der Bundesregierung mit persönlichen Angriffen vermengt, disqualifiziert sich selbst für die Teilnahme am demokratischen Diskurs."
Damit geht der Streit zwischen der Türkischen Gemeinde in Deutschland und der Bundesregierung in die nächste Runde - allerdings mit umgekehrten Vorzeichen. Im Juli 2007 war es der rund 130.000 Mitglieder repräsentierende Dachverband gewesen, der den Integrationsgipfel im Kanzleramt gemeinsam mit anderen türkischen Verbänden boykottiert hatte. Grund war die Verschärfung des Zuwanderungsgesetzes, die den Nachzug von ausländischen Ehepartnern erschwerte.
An Böhmers Arbeit ist immer wieder Kritik seitens der Migrantenverbände laut geworden. Der Vorwurf: Sie vertrete zu einseitig Regierungspositionen, anstatt als Vermittlerin zwischen der Mehrheitsgesellschaft und den Migranten aufzutreten.
Dass Böhmer nun kurzfristig ihre Teilnahme am Bundeskongress der Türkischen Gemeinde absagt, stößt bei Verbandschef Kenan Kolat auf Unverständnis. "Das entspricht nicht unserem Verständnis einer Zusammenarbeit zwischen Politik und Zivilgesellschaft", sagte Kolat. Die Regierungspolitik und ihre Akteure zu kritisieren, sei das demokratische Recht von Verbänden. Gleichzeitig versuchte Kolat aber auch die Wogen zu glätten: "Frau Böhmer ist nach wie vor willkommen. Sie kann ihre Kritik gerne auf unserem Kongress äußern."
Der Türkische Bund in Berlin-Brandenburg legte dagegen nach. Mit ihrer Absage beseitige Böhmer "letzte Zweifel an ihrer Eignung für ihr Amt", teilte deren Sprecher Safter Çinar mit.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rechtspopulistinnen in Europa
Rechts, weiblich, erfolgreich
Haftbefehl gegen Netanjahu
Sollte die deutsche Polizei Netanjahu verhaften?
#womeninmalefields Social-Media-Trend
„Ne sorry babe mit Pille spür ich nix“
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Landesparteitag
Grünen-Spitze will „Vermieterführerschein“