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Wegen massiver PreissteigerungenSerbiens Regierung unter Druck

Horrende Preiserhöhungen für Gas und Lebensmittel führen zu wachsendem Unmut in der Bevölkerung. Die Sozialdemokraten drohen der Koalition mit Entzug ihrer Unterstützung.

Kaum im Amt, schon unter Druck: Serbiens Premier Cvetkovic. Bild: dpa

BELGRAD taz Während sich Serbiens Premier Mirko Cvetkovic und seine Minister hundert Tage nach der Bildung der Regierung zufrieden auf die Schulter klopften, platzte dem temperamentvollen Vorsitzenden der Liga der Sozialdemokraten der Vojvodina (LSV), Nenad Canak, der Kragen. "Ich werde doch nicht tatenlos zuschauen, wie die Bürger Serbiens ausgeplündert werden", erklärte der passionierte Motorradfahrer. Seine Wut löste die bevorstehende Erhöhung des Gaspreises um 60 Prozent aus, die vorwiegend die Vojvodina treffen würde. Canak setzte seine Koalitionspartner heftig unter Druck, denn ohne die fünf Abgeordneten der LSV hat die Regierung keine Mehrheit im Parlament. Der Premier versprach die drastische Preiserhöhung nochmals zu überdenken.

Seinen Groll hielt Canak schon eine ganze Weile zurück. Er kritisierte das Energiestaatsabkommen mit Russland, durch das die Gazprom eine Monopolposition auf dem serbischen Erdöl- und Gasmarkt bekommen wird. Er war äußerst unglücklich über das neue Statut für die nördliche serbische Provinz Vojvodina, mit dem sie die von Slobodan Milosevic aufgehobene Autonomie nur teilweise zurückbekommt.

Die am vergangenen Samstag unterzeichnete "historische Versöhnungsdeklaration" zwischen der Demokratischen Partei (DS) von Staatspräsident Boris Tadic und der von Milosevic gegründeten Sozialistischen Partei Serbiens (SPS) fand Canak überflüssig. Die SPS war nach den Maiwahlen das Zünglein an der Waage für die Bildung einer proeuropäischen Regierung.

Die "Gasmafia" brachte für den Autonomiekämpfer das Fass zum Überlaufen. Er legte Beweise vor, dass von 37 in Serbien verzeichneten Gasversorgungsunternehmen acht keine Arbeitslizenz hätten und eine Marge bis zu fast 40 Prozent kassierten.

Der Skandal wegen angeblicher Korruption in der Gasversorgung Serbiens macht seit Tagen Schlagzeilen. Ein gewisser Sasa Ilic ist laut serbischen Medien gleichzeitig Direktor des serbischen "Srbijagas" und Vizedirektor des russischen Jugorogas - zu 75 Prozent Eigentum der Gazprom - und hatte im Alleingang einen Vertrag über 700 Millionen Euro unterzeichnet, was den Russen eine Provision von 35 Millionen sichert. Kein Politiker will davon etwas gewusst haben. Sein Ziel sei nicht, die proeuropäische Regierung zu stürzen, sondern sie zu zwingen, die Korruption zu bekämpfen, sagte Canak. Dabei heizte er den sozialen Unmut in Serbien weiter an.

Neben dem Gas sollen auch Dienstleistungen der serbischen Telekom bis zu 160 Prozent teurer werden. Vom Mai bis September ist bei Durchschnittslöhnen von rund 400 Euro der Warenkorb für eine vierköpfige Familie von 500 auf rund 700 Euro, der Fleischpreis seit Jahresbeginn um rund 60 Prozent gestiegen. Auch kommunale Dienstleistungen sind um 7 Prozent teurer geworden. In Serbien müssen laut Angaben des Roten Kreuzes rund 385.000 über 65-Jährige ohne Einkommen über die Runden kommen. Nach der Gesundheitsreform müssen alle Volljährigen jede Zahnfüllung selbst zahlen. Wegen der Teuerung wird die Inflation bis zum Jahresende zweistellig. Und laut Koalitionsabkommen der DS und der SPS müssen auch noch Renten um 10 Prozent erhöht werden.

Der Geldzufluss von Privatisierungen oder Direktinvestitionen wird durch die Finanzkrise drastisch sinken, dabei ist der serbische Staatshaushalt auf rund 3 Milliarden Euro aus diesen zwei Quellen eingestellt. An derzeit sehr teure Auslandskredite kann das Land mit über 20 Milliarden Euro Auslandschulden nicht einmal denken.

Das innenpolitische Beben und die Krawalle nach der Unabhängigkeit des Kosovo und der Verhaftung von Radovan Karadzic hat Serbien überstanden. Obwohl der Frust nach der Anerkennung des Kosovo groß war, hat das serbische Parlament das Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen und das vorübergehende Handelsabkommen mit der EU ratifiziert. Das soll den Prozess bis zum 2009 erhofften Kandidatenstatus verkürzen.

Nun ist die serbische Regierung jedoch auf dem harten Boden der sozialen Realität gelandet. Allein mit Geschichten über eine rosige europäische Zukunft wird sie da kaum weiterkommen. ANDREJ IVANJI

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