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Weg zur SterbebegleitungKein Helfersyndrom

Macht es traurig, sich ständig mit dem Tod zu befassen? Zeugt es von einem ausgeprägten Helfersyndrom? Beides nicht, sagt eine Sterbebegleiterin.

In unserer westlichen Welt wird das Thema sterben und Tod oftmals verdrängt Foto: Ute Grabowsky/photothek/imago

V ergangene Woche beim Kaffeetrinken erzählte ich einer Freundin davon, dass ich jetzt eine Kolumne über den Tod schreibe. Sie schaute mich an und sagte: Ist das nicht schwer, sich so viel mit dem Tod zu beschäftigen? Und traurig? Diese Frage bekomme ich ständig zu hören. Vor allem, wenn es um meine Tätigkeit als Sterbebegleiterin geht. Meine Antwort lautet: Nein. Ganz im Gegenteil.

Menschen scheinen sich in zwei Gruppen zu teilen, wenn sie mit dem Tod konfrontiert werden. Die einen müssen sich nähern, um zu begreifen. Die anderen machen sich so schnell wie möglich vom Acker. Ich gehöre zur ersten Kategorie, aber ich muss gestehen: Ganz freiwillig hat das auch nicht angefangen. Mich hat der Suizid meines Ex-Freundes zur Sterbebegleitung gebracht. Die Auseinandersetzung mit dem Tod hat mich gezwungen, nach dem Leben zu fragen.

Mir zu überlegen, wie ich meine Zeit nutzen will, wofür ich zu kämpfen und was ich zu tolerieren bereit bin. Dieser Prozess hat eine revolutionäre Kraft, die zugegebenermaßen beängstigend ist. Sie dennoch zuzulassen, hat mich stärker gemacht – und glücklicher.

Es ist ein westliches Phänomen, sich nicht mit dem Tod beschäftigen zu wollen. In Kulturen, in denen der Tod nicht als Ende, sondern als Übergang gesehen wird, gilt er als selbstverständlicher Teil des Lebens. Und die Tabuisierung der Endlichkeit ist ein Symptom zunehmend säkularisierter Gesellschaften, Jugendwahn inklusive. Nun bin ich selbst westlich sozialisiert und fühle mich keinem Glauben verpflichtet. Trotzdem denke ich, dass es uns guttun würde, wenn wir keinen riesigen Bogen um das Lebensende machen würden.

Hilfe bei psychischen Krisen

Holen Sie sich Unterstützung, wenn Sie selbst oder Menschen in Ihrem Bekanntenkreis Suizidgedanken entwickeln. Ihnen stehen zahlreiche Hilfsangebote zu Verfügung.

Die Telefonseelsorge bietet rund um die Uhr und kostenfreie – und auf Wunsch anonyme – Beratung an: 0800-111 0 111 oder 0800-111 0 222 oder 116 123. Unter www.telefonseelsorge.de können Sie außerdem mit Seel­sor­ge­r*in­nen chatten.

Egoistische Gründe

Ganz zu Anfang meiner Ausbildung sagte die Leiterin unseres Hospizdienstes, dass wir wahrscheinlich allesamt ein kleines Helfersyndrom hätten. Ich habe lange über diesen Satz nachgedacht und bin zu dem Schluss gekommen, dass er auf mich nicht zutrifft. Meine Gründe sind egoistisch. Für mich ist die Beschäftigung mit dem Tod so was wie ein lebensveränderndes Hobby geworden.

Die erste Person, die ich begleitet habe, war eine alleinerziehende Mutter, die nicht die Kraft fand, die Belange ihrer 12-jährigen Tochter zu regeln. Und die schließlich doch noch einmal aus der Bewusstlosigkeit erwachte, um genau das zu tun. Danach begleitete ich einen anarchistischen älteren Herrn, der eine diebische Freude daran hatte, im Hospiz vor aller Augen seine Haschischpfeife zu rauchen. Für mich ist jede Begegnung mit dem Sterben ein Stück in einem Puzzle, das immer größer und bunter wird.

Der Tod hat grausame Seiten und leichte, und alles dazwischen. Darin gleicht er dem Leben mehr, als wir denken. Lange Zeit hatte ich wegen meines fehlenden Helfersyndroms ein schlechtes Gewissen. Darf man am Leid anderer wachsen? Ich stellte meiner Ausbilderin diese Frage. Sie lächelte und sagte: „Es gibt so viele unterschiedliche Gründe zu helfen, wie es Menschen gibt. All diese Gründe sind okay.“

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Caroline Kraft
Caroline Kraft schreibt als freie Autorin u.a. für Zeit Online und das Missy Magazine. Ihre Kolumne "Schluss jetzt" erscheint alle drei Wochen in der taz. Sie ist ehrenamtliche Sterbebegleiterin und chronische Bestatterpraktikantin. Zusammen mit Susann Brückner betreibt sie den Podcast "endlich. Wir reden über den Tod". Ihr gemeinsames Buch “endlich. Über Trauer reden" ist 2022 im Goldmann Verlag erschienen.
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