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Wechselmodell bei TrennungskindernDie Hälfte Mama, die Hälfte Papa

Die FDP-Bundestagsfraktion will, dass getrennt lebende Eltern ihre Kinder je zur Hälfte betreuen. Die Linke setzt auf die freiwillige Entscheidung.

Für Mamis gibt's solche Herzchen selbstverständlich auch Foto: Daniel Kalker

Wenn am Mittwoch der Rechtsausschuss des Bundestags zusammenkommt, dürfte es hoch hergehen. Denn die als Wechselmodell bezeichnete Umgangsregelung getrennter Eltern, die in einer Anhörung besprochen werden soll, ist umstritten. Im Kern geht es darum, dass Mütter und Väter, die nicht mehr als Paar und Familie zusammenleben, ihre Kinder jeweils zur Hälfte betreuen. Die FDP möchte das gesetzlich als Regelfall verankern. Diesen Vorstoß unterstützen Vereine wie „Väteraufbruch für Kinder“, „Väter aktiv“ und die „Elterninitiative Gemeinsamerziehende Mütter und Väter“, die sich zum Netzwerk „Doppelresidenz“ zusammengeschlossen haben und Ende des vergangenen Jahres eine Petition für das Wechselmodell gestartet haben.

Eine Art Gegenantrag kommt von der Linksfraktion, die ein festgeschriebenes Wechselmodell als Regelfall ablehnt und auf eine freie Entscheidung der Familien setzt. Dieses Modell unterstützen vor allem Frauen- und Alleinerziehendenverbände. Der Konflikt, der sich daraus ergibt, wird verschärft, dass Väterverbände zur Anhörung nicht eingeladen worden sind. Gerd Riedmeier von der Interessengemeinschaft Jungen, Männer und Väter (IG-JMV) findet das „undemokratisch“: „Väteranliegen werden ignoriert.“ Seit dem Sommer habe der Verband dem Rechtsausschuss seine Expertise angeboten, sagte Riedmeier der taz: „Aber jetzt überwiegt die Mütterlobby.“

Geladen sind unter anderen die Berliner Familienanwältin Eva Becker, die betont, dass in der Hauptstadt bereits häufig „mit dem Wechselmodell gearbeitet“ werde, der Psychologe und Kinderschutzexperte Heinz Kindler vom Jugendinstitut in München, der das Kindeswohl als Entscheidungskriterium in den Mittelpunkt rückt, sowie die Juristin Hildegund Sünderhauf-Kravets von der Evangelischen Hochschule Nürnberg. Letztere präferiert das Wechselmodell als Regelfall und ist Mitglied im „Interna­tio­nalen Rat für die Paritätische Doppelresidenz“. Ein „honoriges Gremium und ausgewogenes Gremium“, findet Dag Schölper vom Bundesforum Männer: „Väterrechte sind vertreten.“ Das Bundesforum kämpft ebenfalls für Väter- und Männerrechte und bezeichnet die IG-JMV als „selbsternanntes Sprachrohr für Väterrechte“.

153.501 Ehen wurden 2017 geschieden, in fast 77.000 Fällen mit minderjährigen Kinder. Die Hälfte der getrennten Eltern wünschen sich laut einer Umfrage des Allensbach-Instituts für Demoskopie eine einvernehmliche Lösung. Doch viele getrennte Paare finden sie nicht, über 54.000 Fälle landeten laut Statistischem Bundesamt 2017 vor Gericht, weil sie sich wegen des Umgangs nicht einigen konnten. Die Vorwürfe, die dann fallen, können Richterinnen und Richter wie Mantren singen: „Sie verweigert mir das Kind.“ „Er will nur das Recht, aber in Wahrheit kümmert er sich nicht richtig.“

Väterverbände wurden zur Anhörung nicht eingeladen

Umgangsverfahren sind in der Regel emotional hoch aufgeladen, manche Prozesse dauern Jahre und gehen vor allem zu­lasten der Kinder. Dass das Wechselmodell das ändert, glaubt der Verband alleinerziehender Mütter und Väter (VaMV) nicht. Das Wechselmodell wirke bei Eltern, die nicht gut miteinander kommunizieren können, „für das Wohl des Kindes risikobehaftet“, argumentiert der VaMV.

Ungeachtet dessen ist eine Debatte über den Umgang mit den Kindern nach Trennungen geboten. In den vergangenen Jahrzehnten hat sich die Lebensrealität von Eltern verändert: Immer mehr Mütter arbeiten auch Vollzeit, Väter nutzen zunehmend die Elternzeit und bringen sich in die Familie ein. Das früher mehrheitlich gelebte Modell „Sie sorgt, er zahlt“ hat ausgedient. Trotzdem werden laut Allensbach heute nur ein Viertel der „getrennten Kinder“ gleichermaßen von Mutter und Vater betreut. Da ist der Gesetzgeber gefragt. SPD-Justizministerin Katarina Barley will im Sommer dazu einen Referentenentwurf vorlegen.

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11 Kommentare

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  • Ich kann die Väterverbände inzwischen so gut verstehen! Und lasst euch sagen: Nicht nur Väter hätten gerne ein Wechselmodell...

    Ich habe mein Kind über 3 Jahre kaum unterstützt durch den Vater in die Welt getragen, groß gestillt und gefüttert. Dann erlitt ich eine Depression, an deren Tiefpunkt, als der Kindsvater sich erstmalig, kurzzeitig und ernsthaft alleine ums Kind kümmerte, er per Eilantrag bei Gericht sich das alleinige Aufenthaltsbestimmungsrecht sicherte.

    Inzwischen liegt meine Erkrankung dank guter Therapie weit hinter mir.



    Mein erster Versuch das Kind wieder im Residenzmodell hauptsächlich zu mir zu bekommen wurde bei Gericht wegen des Wohnortwechsels (20km) abgelehnt und vom Kindsvater mit einer Unterhaltsklage revanchiert. Obwohl er meine paar Euro als Privater echt nicht nötig hätte.

    Also zog ich in seine Wohnortnähe und beantragte das Wechselmodell. Unser Kind ist inzwischen so groß, dass es deutlich artikulieren kann, dass es öfter bei Mama sein will. Und es bricht mir jedes Umgangsende das Herz, wenn es sagt, dass es länger bei mir bleiben will.



    Aber mit meinem Antrag kam ich bei Gericht wieder nicht durch. Die schlechte Kommunikation zwischen uns Eltern würde im Wechselmodell das Kindswohl gefährden. Ansonsten wäre ja alles fein.

    Dass es dem Vater da nur um Machtausübung geht und er sich absichtlich unkooperativ verhält, interessierte niemanden. Ich hatte den Eindruck, dass niemand der Verfahrensbeteiligten die Verantwortung übernehmen wollte, gegen den Willen eines Elternteils das Wechselmodell anzuordnen. Das wäre für die Jugendamtsdame bestimmt mit dem Kindsvater unbequem geworden. Der hätte dann Langeweile, Zeit und Geld gehabt ... und eben nur 7 Tage statt 11 das Kind.

    Diese Pädagogen und Juristen haben mich echt vom Glauben abgebracht. Da ziehe ich mühevoll ein Baby und Kleinkind groß, werde aus Überlastung krank, muss erleben, wie mir mein Kind gekapert wird und darf jetzt nicht mal 50 % erziehen?

    Armes Deutschland!

  • Zum Thema Wechselmodell bin ich klar und deutlich dafür aus folgenden Gründen:



    1: Wie das deutsche Gesetz es vorschreibt ist man als Elternteil für sein Kind verantwortlich und dies geht nicht bei 4 Tage im Monat und einseitiger Erziehung.



    2: Elternteile die ihr Kind lieben sollen gleichen Anspruch haben und auch gleiche Entscheidungen treffen dürfen.



    3: Somit wären auch viele nicht durch Unterhaltszahlungen in den Ruin getrieben und gezwungen zu tricksen oder abzuhauen um zu Überleben.



    4: Jeder hat die gleiche Verantwortung und Unkosten, Schwachsinn von alles doppelt kaufen, das ist so oder so der Fall wie Kleidung und Kinderzimmer, Schulsachen werden ja auch immer mitgegeben.



    5: Auch Männer die Kinder in die Welt setzen müssen so Verantwortung übernehmen und die Frauen entlasten.



    6: Frauen können sich nicht auf Kosten des Vaters ein schönes Leben machen und sich vor der Arbeit drücken.



    7: Gleichberechtigung für alle.



    8: Somit auch allen den Spagat zwischen Erziehung und Arbeit.



    9: Wird in vielen europäischen Ländern ausgeübt und auch Kita und Außerschulische Betreuung wie bei uns in Belgien von 7:00 bis 18:00 Uhr. für die arbeitende Bevölkerung.



    10: Auch kann ein Elternteil dem Anderen seine richtige Mama oder Papa vorenthalten und den Ersatz vorlügen. Hier auch ein Recht des Kindes.



    11: Wer sich nicht um sein Kind kümmern kann oder will, der wird dann halt zu Zahlungen gezwungen, aber der der kann und will, darf nicht dafür bestraft werden.

    12: Wer die Hosen anhaben will und alles bestimmen möchte, muss auch bei Problemen alles regeln und nicht abhauen und erst wiederkommen wenn der Andere alles geregelt hat.

    So hätte ich wenigstens ein Mitspracherecht und etwas Einfluss auf meinem durch die Mutter entführtes gemeinsames Kind von Belgien nach Deutschland.

  • Der Artikel ist erfreulich neutral. Folgende Anmerkungen:



    - Es entsteht der Eindruck, dass es sich um ein Vaeteranliegen halten würde. Es ist aber ein Anliegen für Kinderrechte. Besser wäre gewesen, wenn als Mitglieder der Initiative Doppelresidenz.org auch der SPD-nahe Verband berufstätiger Mütter, der Verband Anwalt des Kindes und die Initiative ehemaliger Familienrecht ABC Kinderrechte genannt worden wäre



    - Dag Schoelper spricht nicht für authentische Interessen von Männer, Vätern oder Kindern. Er ist ein Angestellter der politischen Elite, die von oben beeinflussen möchte, was das Volk denken und wie es handeln soll. Das erkennt man an seiner Formulierung zur IG Jungen Männer Väter "selbsternannte Vaetervertreter". Besser wäre gewesen: "Graswurzelbewegung, die sich als NGO in ziviler Initiative und unabhängig von öffentlichen Geldern für Geschlechtergerechtigkeit aus männlicher Perspektive einsetzt." Also, das Gegenteil von dem, was er repräsentiert.



    - Man hätte dann auch darlegen können, dass natürlich ein Ungleichgewicht bei der Experte Auswahl besteht. Zwei Frauenverbaende (VAMV und DJB), ein Verband, der sich für faire Bedingungen für alle Scheidungsbetroffenen (auch Väter) einsetzt ISUV) und zwei Mitglieder der gleichen, kritischen Einrichtung (DJI), reine Maenner- oder Väter Initiativen = 0. Eine klare Ansage.



    - Wieso war eigentlich Dr. Stefan Rücker von der Wechselmodell-Studie der Bundesregierung nicht da und wo ist diese Studie? Passt das Ergebnis nicht ins Bild?



    - toll wäre auch ein Hinweis auf die Petition von Doppelresidenz.org gewesen sowie Artikel 18 Absatz 1 der UN-Kinderrechtskonvention, die ja ach so dringend ins Grundgesetz gehört:



    "Die Vertragsstaaten bemühen sich nach besten Kräften, die Anerkennung des Grundsatzes sicherzustellen, dass BEIDE ELTERNTEILE GEMEINSAM für die Erziehung und Entwicklung des Kindes verantwortlich sind."

  • Man möchte meinen, Belgier besitzen mehr GEISTIGE Reife:

    www.zdf.de/nachric...st-gesetz-100.html

  • Ich glaube nicht, dass ein Wechselmodell umsetzbar ist. Mein Mann lebt in einer anderen Stadt als die Mutter der Schulpflichtigen Kinder. Wie sollte das gehen? Die Kinder permanent die Schule wechseln lassen? Oder jeden Morgen zwei Stunden zur und zwei Stunden von der Schule heim fahren lassen? Was ist dann mit Freunde treffen, Hobbys? Hat Mal jemand an so praktische Dinge gedacht?

  • Ein Wechselmodell als Ausgangsbasis für Verhandlungen würde das Streitpotential massiv entschärfen.



    Auch könnten Kinder im Rosenkrieg nicht mehr instrumentalisiert werden. Dazu hilft Petition 89358.

  • Das ist Unsinn. Alle Parteien im Rechtsausschuss benennen ihr Sachverständigen selbst. Die Liste der Eingeladenen ist öffentlich einsehbar. Es gibt keinen Zwang oder eine Verpflichtung diesen oder jenen Verein oder Experten zu laden. Außerdem geht es bei dem Thema Kindesbetreuung immer noch und vor allem um die Kinder, und nicht darum, es den Eltern besonders bequem zu machen oder die einseitig Rechte zu stärken.

    • @Katja79:

      "Außerdem geht es bei dem Thema Kindesbetreuung immer noch und vor allem um die Kinder, und nicht darum, es den Eltern besonders bequem zu machen oder die einseitig Rechte zu stärken"

      Deswegen plädiere ich ja für das Nestmodell als Standard: Das Kind bleibt in der angestammten Wohnung und die Eltern ziehen abwechselnd ein und aus. Im besten Fall merkt das Kind die Trennung kaum. Es ist eher als würden die Eltern z.B. auf Dienstreisen gehen.

      Klar, für die Eltern sehr aufwendig (drei Wohnungen nötig), aber wenn Politik vom Kindeswohl her gedacht wird sollte dieser Ansatz zumindest diskutiert werden

  • 2017 gab es etwa dreimal so viele neue Ehen wie Scheidungen. 2007 lag die Rate noch bei etwa 50%. Die Zahl der Hochzeiten war damals auf ein Minimum gesunken, die der Scheidungen hatte ihr Allzeithoch. Es gab eauch die wenigsten Geburten.

    Seither gibt es wieder mehr Hochzeiten, weniger Scheidungen und mehr Kinder. Es mag Zufall sein, dass just 2006 das Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz verabschiedet worden ist. Aber Gesetzen geht oft eine öffentliche Debatte voraus. Mitte der Nullerjahre gab es so eine Debatte. Man könnten daraus schließen, dass ein bewusster Umgang mit schwierigen Themen hilft, Konflikte zu minimieren.

    So gesehen wäre die Wechselmodell-Debatte zu begrüßen. Nicht, weil sie Wort-Führern Gelegenheit gibt, der eigenen Meinung zum Durchbruch zu verhelfen, sondern weil sie einer „breiten Öffentlichkeit“ beim Reflektieren der eigenen Bedürfnisse hilft.

    Würde das Wechselmodell Rechtsstandard, könnte das Vorteile haben, denke ich. Gerade solchen Eltern, die nicht gut kommunizieren können, kann der Blick ins Gesetzbuch helfen, das Wohl ihrer Kinder nicht all zu sehr zu riskieren. Weil sie sich orientieren können an einem vorgegebenen Wunsch- bzw. Regelfall.

    Er könnte nicht mehr unterstellen: „Sie verweigert mir...“, denn Sie müsste eventuelle Vorurteile zu belegen. Entscheiden würde darüber ein Gericht. Sie aber könnte nicht mehr einfach so behaupten: „Er kümmert sich nicht“. Sie müsste das entweder belegen oder abwarten.

    Beide Eltern bekämen eine Chance sich zu beweisen. Klammernde Mütter wären gehalten, ab und zu mal loszulassen, und verantwortungsscheue Väter müssten zuzufassen, wenn sie gebraucht werden. Die Kinder aber könnten erleben, dass Konflikte nicht das Ende der Welt sein müssen und Erwachsene über sich hinauszuwachsen können – um ihretwillen.

    Das Beste aber wäre, dass der Gesamtgesellschaft nachhaltig gedient wäre – wenn das neue Gesetz nicht nur verabschiedet würde, sondern auch sinnvoll umgesetzt. Wär schön, ich würde das erleben.

  • Der ICSP ist kein "ausgewogenes Gremium", sondern wurde u.a. vom VafK, dem Väterrechtler Franz-Jörg Krieg, Hildegund Sünderhauf, der wichtigsten Kooperationspartnerin des VafK und Tim Walter, dem Hintermann des FDP-Antrages gegründet. Die Administration des Vereins liegt in den Händen von Torsten Fabricius, ebenfalls Bundesvorstand des VafK. Mitglieder sind die leitenden Köpfe der internationalen Väterrechtsbewegung, zum Beispiel auch Vittorio Vezzetti und Simone Pillon, die in Italien für die Lega Nord die frauenfeindliche "Legge Pillon" formuliert haben. Josef Linzer, der ebenfalls als Sachverständiger geladen wurde, ist aktives Mitglied der Väterrechtsplattform "Väter ohne Rechte" und dreht mit der väterrechtsgruppierung "Kindeswohlgefährdung per Gesetz" Videos. Insofern ist die Behauptung, "Väter seien ausgesperrt worden", ein Fake von Markus Witt, Bundesvorstand des VafK.

    • @Billi Miller:

      Als "ausgewogenes Gremium" ist hier nicht der ICSP gemeint sondern die Expertenrunde im Bundestag. Und die war mitnichten ausgewogen. Warum waren die Experten denn nicht paritätisch ausgesucht?