Wearables und Fernsehen mit Google: Android fürs Handgelenk
Google macht immer weiter: Das Betriebssystem Android wurde fürs Wearable-Geschäft fit gemacht. Und den Fernseh-Stick Chromecast gibt es jetzt auch in Deutschland.
MOUNTAIN VIEW/HAMBURG dpa | Google weitet die dominierende Smartphone-Plattform Android auf das junge Geschäft mit tragbaren Geräten wie Computer-Uhren aus. Der Internet-Konzern stellte am späten Dienstag dafür das Projekt Android Wear vor. Als erste Hersteller kündigten Motorola und LG Smartwatches mit der Software an.
Am Mittwoch brachte Google zudem seinen Fernseh-Stick Chromecast auch in Deutschland in den Handel. Mit ihm lassen sich Videos oder Inhalte aus Googles Browser Chrome vom Laptop oder Tablet per WLAN auf einen Fernseh-Bildschirm bringen. In den USA sei der Stick bereits „millionenfach“ verkauft worden, sagte der leitende Geschäftsentwickler von Chromecast für Deutschland, Christian Witt, in Hamburg.
Android Wear soll unter anderem dafür sorgen, dass in den Displays der Datenuhren relevante Informationen angezeigt werden und man die Geräte sowie angeschlossene Smartphones mit Sprachbefehlen steuern kann. Die Plattform ist auch für andere Arten kleiner tragbarer Computer gedacht. Schnittstellen für diverse Sensoren sollen Gesundheits-Funktionen möglich machen.
Google heizt mit Android Wear den Wettbewerb bei Smartwatches weiter an. Die Android-Plattform konnte binnen weniger Jahre die dominierende Rolle im Smartphone-Markt übernehmen. Hersteller von Android-Uhren und App-Entwickler können auf diesem Fundament aufbauen: So können zum Beispiel von Anfang an Benachrichtigungen aus den meisten Anwendungen auch auf den Displays der Smartwatches angezeigt werden.
Samsung setzt auf Tizen
Computer-Uhren gelten als das nächste große Ding im Technik-Geschäft. Apple arbeitet laut Medienberichten unter Hochdruck an einer iWatch, die mit iPhones verbunden werden kann. Der weltgrößte Smartphone-Anbieter Samsung preschte bereits im vergangenen Jahr mit seiner Smartwatch Galaxy Gear vor. Bei der jüngst vorgestellten zweiten Generation wechselten die Südkoreaner von Android zum eigenen Betriebssystem Tizen. Damit werden sie mit dem Android-Lager um die Gunst der App-Entwickler konkurrieren müssen.
Es gibt bereits zahlreiche Smartwatches verschiedener Hersteller auf dem Markt. Viele dieser Uhren sind aber noch klobig und leiden an Problemen wie kurzen Batterie-Laufzeiten oder Lücken im Zusammenspiel mit Smartphone-Apps. Die wenigsten Hersteller entschieden sich dafür, sie als eigenständige Geräte zu entwerfen, die kein verbundenes Handy brauchen. Die Entwickler der Uhr Pebble, die als eine der bisher besten Smartwatches gilt, begrüßten Google mit einem Hinweis darauf, dass sie schon sechs Jahre Erfahrung in diesem Geschäft hätten.
Für die kleinen Displays der Computer-Uhren ist es besonders wichtig, dass zur richtigen Zeit die gerade nötigen Informationen angezeigt werden. So will man bei einer Google-Suche nicht wie vom PC gewohnt eine Liste von Links sehen, sondern am besten gleich die richtigen Antworten.
Google arbeitet seit Jahren an solchen Lösungen zum Beispiel bei Verkehr, Reisen oder Restaurant-Empfehlungen, was den Wettbewerbs-Konflikt des Internet-Riesen mit rivalisierenden Suchmaschinen verstärkte. Bei Android Wear sollen die Geräte gesprochene Fragen verstehen, dafür muss man sie mit den Worten „Ok Google“ aktivieren. Von Apple wird die Einbindung des sprechenden Assistenten Siri erwartet.
Der Handy-Pionier Motorola, der zuletzt zu Google gehörte und jetzt vom Computer-Hersteller Lenovo übernommen wird, veröffentlichte am Dienstag bereits //curved.de/news/moto-360-motorola-enthuellt-sein-smartwatch-juwel-33945:Bilder von seiner Android-Smartwatch Moto 360. Sie sieht wie eine klassische Uhr mit Display statt Zifferblatt aus. LG entschied sich für ein rechteckiges Design. Der Uhren-Spezialist Fossil kündigte ebenfalls eine Zusammenarbeit mit Google bei Android Wear an.
Kampfpreis für Chromecast
Chromecast habe in den USA nach der Markteinführung im vergangenen Jahr bereits nach kurzer Zeit einen „überwältigenden Erfolg“ gefeiert, sagte Witt. Nun ist der Stick, der an den HDMI-Port des Fernsehers angeschlossen wird, für 35 Euro auch in Deutschland in Elektronik-Fachgeschäften und im Internet erhältlich.
Mit dem vergleichsweise günstigen Verkaufspreis macht Google dem Rivalen Apple auch in Europa Konkurrenz: Apple TV hat als eigenständige Settop-Box ähnliche Funktionen, kostet allerdings rund 100 Euro. Chromecast ist nun in neun europäischen Ländern erhältlich, in Kanada und USA sowie in einigen Wochen auch in Norwegen.
Zunächst beschränken sich die verfügbaren Inhalte noch auf eine relativ überschaubare Anzahl von Apps wie YouTube, den Musik-Streamingdienst Google Play Music und einige Video-Portale. Nutzer können über die Apps auch auf dem Smartphone bestimmte Inhalte auswählen und sie auf dem Fernseher wiedergeben.
Kooperationen als Erfolgsrezept
Die Zuschauer in Deutschland können zudem auf das Angebot der Videostreaming-Anbieter Watchever und bald auch von Maxdome zugreifen. Mit diesen Kooperationen importiert Google ein bewährtes Erfolgsrezept aus den USA: Dort trug die Integration der Film- und Serienanbieter HBO und Netflix zu einem großen Teil des Erfolgs von Chromecast bei.
Laut Mitteilung haben sich inzwischen weltweit mehr als 3.000 IT-Entwickler bei Chromecast registriert, um künftig ihre Apps und Websites mit dem Stick nutzen zu können.
Es ist nicht der erste technische Versuch des Konzerns, Inhalte auf den TV-Bildschirm zu bringen. Vor rund vier Jahren startete das Unternehmen sein Projekt Google TV und gewann unter anderem Sony als Partner. Am Ende konnte sich der Dienst jedoch nicht durchsetzen. Google-TV-Geräte gab es eine Zeit lang nur in den USA, in Deutschland hatte auch eine abgespeckte Version in Form einer Settopbox wenig Erfolg.
In seinem Fernseh-Stick sieht Google ein Produkt für die breite Masse, da das Gerät in wenigen Minuten installiert und leicht zu bedienen sei, sagte Unternehmenssprecherin Lena Wagner. Chromecast sei insbesondere für Zuschauer von Filmportalen ausgelegt – so sei es wesentlich einfacher, Inhalte mit einem Handy zu steuern, als mit einer Fernbedienung zu hantieren, sagte Witt.
Das Chromecast-Gerät ist ungefähr fingerlang und doppelt so breit wie ein herkömmlicher USB-Stick. Es funktioniert anbieterübergreifend mit Smartphones und Tablets, die mit Googles Android oder Apples iOS-Betriebssystem laufen, sowie mit Mac- und Windows-Rechnern, auf denen der Chrome-Browser läuft.
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