Wasserforscher zur Flut in Tschechien: „Es gibt Raum für Verbesserungen“
In Teilen Tschechiens hat es so viel geregnet wie nie zuvor. Doch auch Frühwarnsysteme haben sich verbessert, sagt Wasserforscher Radek Tomšů.
taz: Herr Tomšů, Ihr Institut arbeitet mit dem numerischen Wettervorhersagemodell Aladin. Wie funktioniert es?
Radek Tomšů: Aladin kann derzeit bis zu 72 Stunden vorhersagen. Es hat eine detailliertere Auflösung als globale Modelle. Das heißt, es erkennt Täler, die bei globalen Modellen nicht sichtbar sind, und kann Windeffekte bei Regen einkalkulieren.
ist Leiter der Abteilung für Wettervorhersagen am tschechischen Institut für Hydrometeorologie, für das er seit 2001 arbeitet.
taz: Das Land hatte dadurch mehr Zeit, sich auf das Hochwasser vorzubereiten. Wie hat man das genutzt?
Tomšů: Zu den Maßnahmen gehörte der Kontakt zu den einzelnen Wasserbeckenbetreibern. Dadurch hat man Maßnahmen an den Stauseen ergreifen können für eine effektivere Bewirtschaftung der Becken.
taz: Wie ist die derzeitige Lage in Tschechien überhaupt?
Tomšů: Was die Niederschläge angeht, sind wir derzeit optimistisch. In den nächsten 24 Stunden rechnen wir vor allem in den Gebieten Böhmerwald und Nowohradské hory mit Niederschlägen. Im Rest des Landes werden nur geringe Niederschläge erwartet, die die Flüsse jedoch nicht beeinträchtigen sollten. Aber natürlich wird es im Hinblick auf Überschwemmungen weiterhin Probleme geben.
taz: Wie unterscheiden sich die aktuellen Überschwemmungen von der katastrophalen Flut von 2002 und 1997?
Tomšů: Die Niederschlagsmenge ist in diesem Jahr nach unseren bisherigen vorläufigen Berechnungen sogar höher ausgefallen als 1997 – bezogen auf die betroffene Fläche. Es war aber auch das erste Mal, dass wir so weit im Voraus wussten, was auf uns zukommt. Allerdings konnten wir auch bei den Überschwemmungen im Jahr 2013 bereits weit im Voraus Warnungen aussprechen. Aber es war das erste Mal, dass wir eine Überschwemmung dieser Größe hatten. Und diese zusätzlichen Tage lagen definitiv über dem Standard.
taz: Auch wenn die Situation also alles andere als ideal ist, hätte es noch viel schlimmer kommen können?
Tomšů: Ja. Es gibt Situationen, die Sie nicht vollständig verhindern können. An einigen Wasserläufen gibt es keine Stauseen zur Regulierung der Abflüsse, sodass man dort nicht viel unternehmen kann. Daher geht es eher um die Vorbereitung, das Errichten von Absperrungen und andere Schritte – zum Beispiel Evakuierungen. Aber wir dürfen nicht vergessen, dass 1997 über 50 Menschen bei den Überschwemmungen ums Leben kamen – selbst in dieser Hinsicht ist dieses Jahr viel besser.
taz: Wo sehen Sie das Potenzial, sich besser auf eine solche Situation vorzubereiten?
Tomšů: Nun, es gibt immer Raum für Verbesserungen, um die Kommunikation und andere Prozesse zu beschleunigen. Wir werden auch im Nachhinein auswerten, was erfolgreich war und was nicht. Dann können wir daraus lernen und in Zukunft unsere Reaktion und unsere Arbeitsweise bei solchen Überschwemmungen noch besser und effektiver gestalten, um nicht nur Menschenleben zu retten, sondern auch möglichst viel Eigentum zu schützen.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Macrons Krisengipfel
Und Trump lacht sich eins
Maßnahmenkatalog vor der Bundestagswahl
Grünen-Spitze will „Bildungswende“
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
USA und Russland besetzen ihre Botschaften wieder regulär
Frieden in der Ukraine
Europa ist falsch aufgestellt
Die Neuen in der Linkspartei
Jung, links und entschlossen
Gentrifizierung in Großstädten
Meckern auf hohem Niveau