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Was Karl Marx und „Twilight“ verbindetBis(s) zum Ende des Kapitalismus

„Twilight“ ist eine Liebesgeschichte. Vor allem eine zwischen Kapitalisten und den lebendigen, arbeitenden Menschen, die sie ausbluten lassen.

Kristen Stewart als Bella Swan und Robert Pattinson als Edward Cullen in „Twilight“ Foto: imago

H erbstzeit ist „Twilight“-Zeit, so will es das Gesetz. Die „Twilight“-Saga ist Nostalgie pur, wer früher dafür ausgelacht worden ist, trägt seine Liebe zu den schlecht gespielten Filmen jetzt mit Stolz. Dazu beigetragen haben auch die zahlreichen soziokulturellen Abhandlungen über den Stoff. Mehrere wissenschaftliche Beiträge drehen sich um Edwards und Bella drei Romane anhaltende Enthaltsamkeit und die scheinbar unvermeidbare Geburt des Kindes (da freuen sich die Abtreibungsgegner*innen).

Doch die Liebe zwischen Edward und Bella beinhaltet so viel mehr! Das wusste bereits Karl Marx. Mit Hilfe von Vampiren versuchte er seine Kritik an Kapitalisten zu äußern. Denn es ist so: Karl war zwar ein toller Denker, doch viel Spaß machte das Lesen seiner Werke nicht (im Gegensatz zu dieser Kolumne). Daher nutzte er Bilder und Figuren aus Fabeln und Theaterstücken, um seine Gedanken zu formulieren.

Eine seiner zentralen Thesen lautet: Wenn man aus seinem Geld mehr machen will, dann will man Profit erwirtschaften und das ist im Kapitalismus das treibende Motiv. Es geht darum, Geld zu investieren, um Waren herzustellen und diese mit Gewinn zu verkaufen.

Dafür benötigt man Arbeitskraft. Arbeit ist eine Form des Kapitals, da der Kapitalist nicht selbst arbeitet, sondern Maschinen und Material kauft und arbeiten lässt. Das Problem: Es ist kein selbstbestimmtes Arbeiten möglich, das Kapital bestimmt, wo und wie wir knechten müssen. Ziel ist nicht, Bedürfnisse zu befriedigen, sondern die Akkumulation von mehr. Um Wert zu generieren, saugt das Kapital den Ar­bei­te­r*in­nen seit Jahrhunderten die Lebenskraft aus.

Die Twilight-Vampire leben den Traum jedes Kapitalisten: Sie sind 24/7 produktiv

Genauso tun es auch Vampire, sie sind untersättlich. Obwohl die Vampire in „Twilight“ wenig mit denen aus Marx’ Büchern zu tun haben, lassen sich in der Saga Motive der Kapitalismuskritik finden.

Die Vampire in „Twilight“ sind keine in Särgen lebenden, verstaubten Oldies, sondern jung, dynamisch und trendy. Sie passen sich der schnelllebigen Gesellschaft an und leben den Traum jedes Kapitalisten: Sie sind 24/7 wach und produktiv.

Für Marx ist die verlängerte Arbeitszeit nur ein Tropfen, der den Durst des Vampirs nicht stillen kann. In einer Welt, in der das Geld nicht schläft, können Menschen aufgrund ihrer körperlichen Voraussetzungen nicht mithalten. Schlaf ist die einzige Zeit, die nicht der Maschine der Profitabilität verfallen kann und wird deshalb als etwas Störendes empfunden.

Die Fetischisierung durch Bella von Edward Cullens marmorähnlichem Körper (hart, kalt, weiß, funkelt in der Sonne) zeigt: die perfekte Verkörperung von „old money made new“.

Tote versus lebende Arbeit

Größter Höhepunkt für die Geschichte ist die brutale Geburt der gemeinsamen Tochter. Edward reißt Bella den Bauch mit seinen Zähnen auf, um das Kind aus ihr herauszuholen. Erzählt wird das Ganze aus der Perspektive des Werwolfs Jacob, der dagegen ist, weil Bella so in einen Vampir verwandelt wird. Klar, denn Werwölfe, frei von Herren und Kapital, sind die natürlichen Feinde von Vampiren. Man könnte meinen, Marx hätte sich die Szene ausgedacht. Schon er wusste: Tote Arbeit (Edward) saugt wie ein Vampir an lebendiger Arbeit (Bella), um zu überleben.

Am Ende gibt es jedoch ein Happy End: Bella verwandelt sich in einen Blutsauger, lässt ihren menschlichen Körper mit all seinen Schwächen hinter sich und löst sich von ihrem Dasein als bedeutungslose Konsumentin des Kapitalismus.

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Anastasia Zejneli
Autorin
Jahrgang 1999, studierte Wirtschaftspolitischen Journalismus in Dortmund und gründete ein Kulturmagazin für das Ruhrgebiet. War Taz-Volontärin und arbeitet aktuell im Europateam. Schreibt in der Kolumne "Economy, bitch" über Popkultur und Wirtschaft.

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