Warum wir eine Zuckersteuer brauchen: Die Revolution des Spaßgetränks
Auch wenn unsere Kolumnistin Limos liebt, Deutsche konsumieren zu viel Süßes. Eine Zuckersteuer nach dem britischen Modell würde helfen.
E gal ob kühle Cola, spritzige Rhabarberlimo oder der bodenständige Durstlöscher: Nichts stimmt mich so glücklich wie der Griff zum Spaßgetränk. Und neben den Originalen kommen gefühlt täglich noch zuckrigere Influencer-Eistees dazu, die den Markt zumüllen.
Allein bin ich mit meiner Liebe zu den Spaßgetränken jedenfalls nicht. Die verkaufte Gesamtmenge alkoholfreier Getränke stieg in den vergangenen fünf Jahren um knapp 47 Prozent. Bei all der Spaßgetränkpropaganda bleibt ein Fakt: Der Stoff, der das Belohnungszentrum im Hirn anfeuert, ist nicht gerade gut für unseren Körper. Eigentlich sollten wir täglich nicht mehr als 50 Gramm Zucker zu uns nehmen, sagt die Deutsche Gesellschaft für Ernährung. In Deutschland liegen wir bei mittlerweile 95 Gramm.
Die WHO warnt, dass wir unseren Konsum reduzieren müssen. Die Zuckersteuer könnte ein Weg sein. Bevor der Staat jedoch eingreift, fragen sich Ökonom*innen, wie sinnvoll die Steuer ist, und untersuchen sogenannte Externalitäten und Internalitäten.
Keine gute Umsetzung in Dänemark
Erstere sind eine Form des Marktversagens. Heißt: Hoher Zuckerkonsum verursacht etwa höhere Gesundheitskosten, und die verursachen wiederum Kosten für die Allgemeinheit, denn sie werden zu Teilen durch die Krankenkassenbeiträge an uns alle weitergereicht. Außerdem warnen die großen Kapitalisten natürlich vor all den Fehltagen und daraus folgenden Produktionseinbußen, die durch kranke Angestellte entstehen.
Aber konzentrieren wir uns lieber weniger auf elendige Wachstumsfantasien und mehr auf unsere Gesundheit. Das sind die Internalitäten, also Kosten, die wir individuell tragen: Wer schlecht verzichten kann, wird auch trotz des Wissens darum, welchen Schaden Zucker anrichtet, weiterhin Cola, Energy und Eistee schlürfen.
Würde eine Steuer den Konsum von zuckrigen Getränken reduzieren? Einen Versuch wagte Dänemark. Dort gab es bereits seit den 1930ern eine Steuer auf zuckerhaltige Getränke. Die Regierung hat sie 2012 erhöht, um sie zwei Jahre später abzuschaffen. Die Steuer fiel auf alle Getränke mit mehr als 0,5 Gramm Zucker pro 100 Milliliter an.
Britische Kinder nehmen weniger Zucker zu sich
Eine Studie aus dem Jahr 2023 hat sich das Konsumverhalten der Dän*innen von damals angeschaut; spannend ist, dass die Daten aufgeschlüsselt waren nach Personen mit hoher Selbstkontrolle, die gut auf Zucker verzichten können, und solchen, die es weniger gut können. Die Steuererhöhung führte dazu, dass der Konsum der Personen mit hoher Selbstkontrolle durch die teureren Produkte merklich sank, der Konsum der Leute mit geringerer Selbstkontrolle dagegen kaum. Als Dänemark die Steuer abschaffte, konsumierten beide Gruppen wieder verstärkt lustige Spaßgetränke.
Ökonom*innen des deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung fordern daher das britische Modell für Deutschland. Ähnlich wie in Großbritannien seit 2018 sollten wir bei den Herstellern ansetzen und eine stufenweise Steuer einführen. Die britische Regierung unterscheidet: 28 Cent Steuern auf Getränke mit mehr als 8 Gramm Zucker pro 100 Milliliter und 21 Cent auf die ab 5 Gramm.
Dadurch hat die Mehrheit der Hersteller ihre Produktion umgestellt. Laut einer Studie der Cambridge University halbierte sich innerhalb eines Jahres außerdem die Zuckermenge, die Kinder durch Limos zu sich nehmen. Gute Gründe für eine Revolution des Spaßgetränks.
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