Künstliche Intelligenz in der Bildung: Bessere Schule dank KI
Viele Lehrkräfte sind skeptisch bei ChatGPT & Co im Unterricht. Dabei können neue Programme, was Schule selten leistet: Schüler individuell fördern.
F ür die allermeisten Schüler:innen dürfte künstliche Intelligenz ein Segen sein: Die lästigen Hausaufgaben, die sie früher selber machen oder mühevoll abschreiben mussten, spuckt ihnen ChatGPT & Co heute in Sekundenschnelle aus. Kein Wunder, dass ein Großteil der Jugendlichen mittlerweile KI-Tools für schulische Zwecke einsetzt. Aktuell sind das in Deutschland – je nach Studie – zwischen zwei Drittel und drei Viertel der Schüler:innen.
Diese Realität lässt eigentlich nur zwei Schlüsse zu. Erstens: Die Schulen müssen sich von unzeitgemäßen Lernmethoden wie Hausaufgaben verabschieden und beispielsweise stärker auf in den Unterricht integrierte Lernzeiten setzen. Solange die Ministerien hier nicht umdenken, wird immer wieder das Schummelpotenzial gegen KI ins Feld geführt. Und zweitens: Wenn KI bereits fester Bestandteil im Schulalltag der meisten Jugendlichen ist, muss sie in Schule auch geübt und kritisch begleitet werden. Hier gehen die Ministerien zwar mit. Doch leider ist die Skepsis ausgerechnet im Lehrerzimmer besonders hoch.
Nach jüngsten Umfragen unter Lehrkräften nutzt mehr als die Hälfte KI nie oder seltener als einmal im Monat. Und die, die KI-Tools einsetzen, verwenden diese größtenteils für die eigene Arbeitserleichterung, für die Erstellung von Aufgaben und Tests oder bei der Unterrichtsplanung. Dort aber, wo KI auch wertvoll für die Schüler:innen wäre, wird sie bisher kaum eingesetzt. Etwa bei individualisierten Lernangeboten, Feedback für Text- oder Rechenaufgaben oder bei der systematischen Analyse von Lernverläufen.
Wie gut die KI das teilweise schon kann, berichten Lehrkräfte an Pilotschulen, die bereits mit adaptiver Lernsoftware wie Area9 Rhapsode experimentieren. Also mit Programmen, die sich anhand der bearbeiteten Aufgaben merken, wer sich beispielsweise in Mathe schwertut. Die Folgeaufgaben passt die KI dann im Einklang mit dem Lehrplan für jede:n Schüler:in so an, dass alle an ihren jeweiligen Schwächen arbeiten. Eine so individuelle Förderung können nur wenige Lehrkräfte im vollen Schulalltag leisten: Dafür sind die Klassen zu groß und die Aufgaben neben der pädagogischen Arbeit für Lehrer:innen zu zahlreich.

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Individuelles Feedback
Ähnlich mau sieht es beim Thema Feedback aus, einer der zentralen Faktoren für gelingendes Lernen. Individuelles (und motivierendes) Feedback ist sehr zeitaufwendig. Häufig fehlt es ganz. In einer repräsentativen Umfrage unter Schüler:innen aus dem Jahr 2024 verneinten 37 Prozent der Befragten folgende Antwort: Unsere Lehrer:in sagt mir, was ich schon kann und was ich noch lernen muss. Eine Leerstelle, die auch hier KI-basierte Tutorensysteme ausfüllen können.
Tatsächlich haben Kieler Bildungsforscher:innen festgestellt, dass automatisierte Beurteilungen ähnlich gut und fair sind wie von erfahrenen Lehrkräften – wenn die Tools entsprechend sorgfältig auf diese Aufgabe vorbereitet werden. Das betrifft vor allem die leichte Manipulierbarkeit von KI: Lässt man zum Beispiel ChatGPT eine Arbeit von einer „sehr guten“ Schülerin bewerten, fällt die Bewertung besser aus, als wenn die gleiche Arbeit von einem „eher schlechten“ Schüler stammt. Solche Biases müssen natürlich ausgeschlossen werden.
Eines der vielversprechenden Feedback-Programme – FelloFish – wurde von dem KI-affinen Deutschlehrer Hendrik Haverkamp mitentwickelt. Das Tool wird aktuell an 34 Schulen in Sachsen-Anhalt erprobt. Nach Angaben der Landesregierung wird es gut angenommen und daher in diesem Schuljahr ausgeweitet. Überhaupt tut sich in Sachen KI aktuell einiges: Mehrere Bundesländer stellen mit dem neuen Schuljahr erste datensichere Alternativen zu ChatGPT für Schulen zur Verfügung, etwa Bremen und Hessen mit dem Open-Source-Chatbot „telli“ – der auf Wunsch aller 16 Länder und mit Geldern aus dem Digitalpakt entwickelt wurde. Im Laufe des Schuljahres soll der Bot möglichst bundesweit verfügbar sein. Mit ihm können Schüler:innen Texte erstellen und Verständnisfragen klären.
Inwieweit aber die vielen skeptischen Lehrkräfte die entstehende KI-Infrastruktur nutzen, darf bezweifelt werden. Das zeigen die Erfahrungen mit iPads und anderen Endgeräten, die im Zuge milliardenschwerer Investitionen in die Digitalisierung angeschafft wurden und jetzt auch nicht überall zu digitalgestützem Fachunterricht führen. Die Ministerien hoffen noch, dass die Lehrkräfte ihre KI-Berührungsängste ablegen, wenn die Tools erst mal da sind und alle Beteiligten wichtige Kompetenzen erlernen: Wie prompte ich richtig? Welchen Daten darf ich trauen? Wie lerne ich selbst dazu, wenn mir die KI die Arbeit weitgehend abnimmt?
Die Ständige Wissenschaftliche Kommission, die die Bildungsminister:innen berät, empfiehlt, KI-Programme deshalb ab der achten Klasse systematisch in den Unterricht zu integrieren, etwa beim Einüben von Schreibprozessen. Noch besser wäre es, damit ab Klasse fünf zu starten.
Es geht auch um Chancengleichheit
Ein früher reflektierter Umgang mit KI-Tools wäre nicht nur pädagogisch sinnvoll, sondern auch für die Chancengleichheit wichtig. Schon heute stellen Bildungsforschende einen „digital divide“ zwischen privilegierten und benachteiligten Schüler:innen fest – und auch zwischen den Schulformen: Gymnasien sind bei digitalen Endgeräten im Schnitt besser ausgestattet, was die „digitale Kluft“ im Umgang mit entsprechenden Tools noch vertieft. Es ist der erste Schritt, wenn mehrere Bildungsminister:innen wie Bremens Senatorin Sascha Aulepp (SPD) öffentlich bekennen: KI kann unsere Schulen gerechter machen.
Der zweite Schritt ist ungleich schwerer: Die vielerorts überlasteten Lehrkräfte zu motivieren, ihre Unterrichtsroutinen aufzubrechen. Vermutlich gelingt das erst dann flächendeckend, wenn das Personal an anderer Stelle massiv entlastet würde. Zum Beispiel in der Pflicht, von Schüler:innen ständig und in allen Fächern Noten einzuholen. Aber das ist eine eigene Debatte wert.
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