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Wand und BodenImmer schön, wenn's mit dem Teufel zugeht

■ Kunst in Berlin jetzt: Hans Jürgen Syberberg, Malerei und Fotografie aus der VR China

Jetzt hat man also „Cave of Memory, 1997, in sechs Stationen“ zum zweitenmal gesehen und ist deswegen nicht schlauer daraus geworden. Tröstlich immerhin, daß Hans Jürgen Syberberg selbst nur dunkel munkelt: „Dies ist nicht die Platosche Höhle der Gefesselten in der Unwahrheit üblicher Bilder und Töne, sondern das Angebot an die Schattenwelt der Gegenwart, die Antwort dessen, der seine Erinnerungen zu denen, in diesem Schatten des wahren Lichts, mitgebracht hat, von seinen Erfahrungen und anderem Wissen aus dem Licht: der Kunst, die verlorenging.“ Muß man dem noch etwas hinzufügen? Vielleicht soviel: Seit Mittwoch und noch bis morgen gastiert Hans Jürgen Syberbergs documenta-X-Beitrag im Hamburger Bahnhof. Es handelt sich um einen „begehbaren Film als Raum“. Syberbergs Macke ist es ja aus unerfindlichen Gründen, daran festzuhalten, Filme zu produzieren. Sie sollen aber irgendwie mehr sein, Filosofie wahrscheinlich. Tatsächlich handelt es sich denn auch immer um unnötig in die Länge gezogene Diavorträge. An der Produktion seiner Bilderhöhle mit 31 Clips, verteilt auf 21 TV-Monitore und 10 Videowände, beteiligten sich außer der documenta X auch das Hebbel-Theater und die Nationalgalerie. Deshalb gibt es neben der Museumsinstallation für 8 Mark Eintritt auch eine „live-Variante“ für 30 Mark. Hélène Delavault singt dann, am Klavier begleitet von Susan Manoff, Kompositionen zu Faust. Ansonsten zeigen die sechs Stationen das bekannte Syberberg-Schema: Er nimmt sich große Namen, deren Glanz auch ein kleines Licht auf ihn abwerfen, und rührt damit ein bedeutsames „Bühnen-Gericht“ an. Schleef, Goethe, Kleist, Raimund, Mozart und Beckett können nichts dafür. Ebensowenig Platon, Heidegger, Oskar Werner, G.W. Pabst oder auch Kultursenator Radunski, dem Syberberg seine üblichen unglücklichen Äußerungen zum Berliner Kunst- und Kulturmarketing als FAZ-Zitat präsentiert. Aber wer, wenn nicht die Leute, die mit Events und Museum-Shops zu locken sind, wird sich eigentlich seinen prätentiösen Quark anschauen? Ja, das Licht der Kunst! Es ging an Syberberg und seinen Koproduzenten weiß Gott verloren.

Heute und morgen, 10–17 Uhr, 20 Uhr live, Invalidenstr. 50–51

Das Licht, es leuchtet bekanntlich aus dem Osten. In Berlin im Moment aus der Volksrepublik China. Doch der Verdacht, daß das Licht der Kunst von dort auch nur dann leuchtet, wenn man die Künstler und ihr Anliegen gründlich mißversteht, läßt sich nach genauerer Lektüre von Bildern und Statements nicht ganz von der Hand weisen. Mit „8 + 8 - 1 = 15“ präsentiert die Galerie Vierte Etage 15 außerordentlich fähige Maler, deren Bilder in vielen Fällen aber nur halb so ironisch sind, wie sie dem gemeinen Westler erscheinen. Vielleicht ist es das dominante Pop-Pink, wie bei Xin Hai Zhous „Chinese Girl Series“, was einen auf die falsche Fährte setzt. Die klassisch bezopfte und uniformierte Chinesin ist jedenfalls ganz ernstlich als Ikone wider den grassierenden Konsumismus in der Volksrepublik gedacht. Und bei Wang Jin Songs „Class One Series“, die den heldenhaften Kampf des kleinen roten Soldaten Zhi Zhi und seiner Mitschüler gegen die Konterrevolutionäre zeigen, weiß man auch nicht, ob die Serie nicht das ganze Gegenteil von Hohn und Spott über derlei vergangene Indoktrination ist. Aber gerade weil man sich auf Glatteis bewegt, ist die Ausstellung einen Besuch wert. Das Mienenspiel, mit dem Xin Hai Zhou die moralische Überlegenheit seines Chinese Girl begreiflich macht, hat es jedenfalls in sich.

Bis 8.11., Di.–Fr. 15–19, Sa. 14–17 Uhr, Bregenzer Str. 10

Unbedingt sehenswert ist die „Zeitgenössische Fotokunst aus der Volksrepublik China“ im Neuen Berliner Kunstverein. Wo hätte man jemals solche Gruppenporträts gesehen, wie sie Zhuang Hui aufnahm? Ganze Fabrikbelegschaften, das gesamte Krankenhauspersonal oder komplette Volksarmee-Einheiten bannt er auf immer länger werdende horizontale Fotostreifen. Indem er das Kollektiv in seiner tatsächlich kaum vorstellbaren alptraumhaften Menge wohlsortierter Menschen zeigt, vernichtet er auch schon diesen heroischen Begriff. Wenn die Ölmalerei in China ein relativ junges Medium ist, das sich letztlich erst mit der siegreichen kommunistischen Revolution und ihrer Propagandakunst durchsetzte, dann ist die Fotografie geradezu neu. Und sie scheint per se mit Dissidenz, unliebsamer Dokumentation und Untergrund assoziiert. In den 80er Jahren kam die sogenannte Neue Reportagefotografie auf, der man die aus der Perspektive des (Under-)Dog aufgenommene Straßenfotografie von Mo Yi, die U-Bahn-Bilder Zhao Liangs oder die Fotos aus dem Stahlwerk der Gründerfigur Zhang Haier zurechnen kann. Jetzt, in den 90ern, ist ein ebenso neuer konzeptueller Einsatz zu beobachten. Gu Dexin etwa zeigt auf drei großen Farbabzügen eine rot angeleuchtete Hand, die ebenso rote rohe Fleischstückchen zwischen Daumen und Fingern knetet. Zwischen Ekel und Effekt: Unter den Abzügen liegen die inzwischen hartgetrockneten Fleischklümpchen. Mit Hilfe inszenierter Fotografie gehen die jungen KünstlerInnen die noch immer unerwünschte Auseinandersetzung mit dem erotischen und sexuellen Körper an. An Hong schlüpft in die Rollen tibetischer Gottheiten, die offenbar ein Faible für Plüschtiere und „Kiss“- Luftballone haben. „Buddha Fucking Lantern Woman“ ist frivol und köstlich. Und der Künstler eher Pan oder Beelzebub denn Buddha. Für die Kunst ist es immer schön, wenn's mit dem Teufel zugeht.

Bis 9.11., Di.–Fr. 12–18, Sa., So. 12–16 Uhr, Chausseestr. 128–129 Brigitte Werneburg

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