Waldzustandsbericht 2024: Brandenburgs Wald pfeift auf dem letzten Astloch
Den Bäumen in den Brandenburger Forsten geht es miserabel. Schuld daran: der Klimawandel, das Wild – und die JägerInnen.
Laut dem Waldzustandsbericht für das Jahr 2024 sieht es nach positiven Entwicklungen im Vorjahr für die Bäume in den Brandenburger Forsten so schlecht aus wie nie zuvor. Umweltministerin Hanka Mittelstädt (SPD) sprach bei der Vorstellung von einem „dramatischen Zustand“ und Schäden auf „Rekordiveau“. Die langjährige Belastung der Wälder durch die Veränderung der Umweltbedingungen zeige ihre Wirkung.
Besonders schlecht geht es demnach den Laubbäumen im Bundesland: Bei der Buche weisen 64 Prozent der Exemplare „deutliche Schäden“ (Schadstufe 2–4) auf, bei der Eiche sind es sogar 75 Prozent – so viel war noch nie zuvor beobachtet worden. Auf der anderen Seite sind nur noch 5 Prozent der Buchen und 3 Prozent der Eichen ohne Schäden.
Das ist tatsächlich dramatisch: Der Waldzustandsbericht 2023 hatte „nur“ 33 Prozent der Buchen und 35 Prozent der Eichen mit deutlichen Schäden ausgewiesen. Schadensfrei waren damals 6 Prozent der Buchen und 12 Prozent der Eichen gewesen.
Bei dem mit Abstand häufigsten Brandenburger Waldbaum, der Kiefer, ist die Entwicklung nicht ganz so beunruhigend, aber auch ihr Zustand hat sich verschlechtert: Der Anteil der Bäume mit deutlichen Schäden wuchs zwischen den Berichtszeiträumen von 9 auf 17 Prozent, der Anteil der schadensfreien Bäume schrumpfte von 30 auf 19 Prozent.
Das Umweltministerium erklärt diese Entwicklung in erster Linie mit Vitalitätsverlusten durch die Trockenjahre 2018–2020 und 2022. Weil sie über mehrere Wachstumsperioden hinweg geschwächt worden seien, habe auch die bessere Wasserversorgung im Jahr 2023 nicht zur Regenerierung ausgereicht. Darum hätten die Spätfröste Ende April besonders große Schäden angerichtet: Sie zerstörten viele der Triebe, die die Bäume zuvor schon ausgebildet hatten.
Viel zu hoher Wildverbiss
Aber auch Ministerin Mittelstädt nannte den „viel zu hohen Wildverbiss“ als weiteren wichtigen Faktor, der dem Brandenburger Wald zu schaffen mache: Es brauche ein „konsequentes Jagdmanagement und die Mithilfe der rund 100.000 Privatwaldbesitzenden beim Waldumbau in Brandenburg“. Nur so könne man es schaffen, den Wald an die Auswirkungen der Klimaveränderungen anzupassen.
Noch drastischere Worte fand die Leiterin des Landeskompetenzentrums Forst in Eberswalde, Ulrike Hagemann. Mit Blick auf die Jagdlobby sagte sie dem RBB, es „betrübe“ sie, dass „eine kleine Gruppe, die einer Leidenschaft, einem Hobby, nachgeht, den Brandenburger Wald quasi in Mithaftung nimmt“. Sie wünsche sich eine baldige politische Entscheidung, dass „das Fortbestehen des Brandenburger Waldes für die gesamte Gesellschaft wichtiger ist als die Interessen einzelner“.
Dass Problem mit dem Wildverbiss, der den natürlichen Aufwuchs junger Bäume verhindert, betrifft besonders die laubtragenden Arten – dabei muss deren Anteil für eine höhere Klimaresilienz unbedingt zunehmen. WaldbesitzerInnen müssen aufwändige und teure Maßnahmen wie die Umzäunung von Jungbäumen ergreifen, um dem entgegenzuwirken.
JägerInnen entscheiden selbst
Dass der Waldbesitz in Brandenburg mit fast 100.000 Flächeneigentümern extrem zersplittert ist, kommt den Interessen der JägerInnen entgegen: Denn erst ab einer Fläche von mehr als 150 Hektar dürfen Eigentümer selbst entscheiden, wie viel Wild sie schießen lassen. Anderenfalls obliegt dies den JägerInnen, die Reviere pachten und naturgemäß ein Interesse daran haben, dass sich dort große Wildbestände entwickeln. Am Widerstand ihrer Lobby war der damalige Minister Axel Vogel (Grüne) 2024 zum wiederholten Mal mit einer Novelle des Landesjagdgesetzes gescheitert.
Der NABU stellte noch weitere Forderungen zum Schutz des Brandenburger Waldes auf: Um dessen Funktion als natürlicher Wasserspeicher zu schützen, sollte er „von Kahlschlägen und Windrädern verschont bleiben“, so Björn Ellner. Vielfach würden „sogenannte ‚Waldumwandlungen‘ zugunsten großflächiger Industrie- oder Wohnansiedlungen genehmigt“. Die dadurch entstehenden Freiflächen beeinträchtigten nicht nur die Flora und Fauna nachhaltig, sondern schädigten auch den Boden.
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