Waldbrand am Sprengplatz Grunewald: Standort schon lange in der Kritik
Dass der Sprengplatz der Berliner Polizei mitten im Wald liegt, wurde immer wieder infrage gestellt. Alternativen sind offenbar schwer zu finden.
Die Ursachenforschung wird wohl noch einige Zeit in Anspruch nehmen: Zum jetzigen Zeitpunkt lasse sich noch nichts darüber sagen, wieso es am Donnerstagmorgen zur „Umsetzung“ von Explosivstoffen auf dem Sprengplatz Grunewald gekommen sei, sagte Polizeisprecher Thilo Cablitz der taz. „Umsetzung“, das ist der Fachbegriff für die beabsichtigte oder unbeabsichtigte Detonation von Kampfmitteln oder Pyrotechnik – was auf dem Areal mitten in Berlins größtem Waldgebiet eben so gelagert wird.
Rund 25 Tonnen solchen Materials habe sich auf dem Sprengplatz befunden, als es in den frühen Morgenstunden zu den ersten Explosionen gekommen sei. Verletzt wurde niemand, so der Cablitz. Das Wachpersonal habe nach ersten Löschversuchen den Rückzug angetreten, weil herumfliegende Splitter den weiteren Aufenthalt lebensgefährlich gemacht hätten.
Die nächste kontrollierte Sprengung sollte im kommenden Herbst stattfinden: Zwei Mal im Jahr werden die Weltkriegsbomben, Handgranaten oder große Mengen beschlagnahmter Feuerwerkskörper in Sandbunkern auf der 8 Hektar großen Freifläche gezündet. Dann wird auch die Avus (A 115) aus Sicherheitsgründen stundenweise gesperrt, sie führt zwar in immerhin 1,2 Kilometern Entfernung, aber immer noch zu nah am Platz vorbei.
Hitze oder Fremdeinwirkung?
Könnte die große Hitze Grund für eine Selbstentzündung gewesen sein? Hatte möglicherweise jemand seine Finger im Spiel? Ausgeschlossen sei das alles nicht, sagte Cablitz, aber es bringe nichts, jetzt darüber zu spekulieren. Noch könnten weder Feuerwehr noch Polizei den Ort des Geschehens betreten. Erwartet wurde am frühen Nachmittag ein zur Kampfmittelräumung einsetzbarer Roboter. Mit diesem sollte versucht werden, ins Epizentrum vorzudringen.
Empfohlener externer Inhalt
Mit einem Löschhubschrauber der Bundeswehr können die Einsatzkräfte dagegen wohl nicht rechnen. Ein solcher stehe wegen des Waldbrands in Sachsen derzeit nicht zur Verfügung, sagte ein Feuerwehrsprecher. Im Einsatz war lediglich ein Polizeihubschrauber, um den Kräften einen Überblick aus der Luft zu verschaffen. Auch Kameradrohnen werden eingesetzt.
Kritik am Standort des von der Polizei betriebenen Sprengplatzes habe es in den vergangenen Jahren immer wieder gegeben, so Cablitz. Allerdings sei es extrem schwierig, einen genehmigungsfähigen Ersatz für den seit 1950 betriebenen Platz zu finden, der groß genug und ausreichend entfernt von Siedlungen sei. Mit Brandenburg seien Gespräche geführt worden, aber deren Sprengplatz habe nicht genügend Lagerkapazitäten. Und überhaupt sei es nicht angezeigt, Kampfmittel – auch nach ihrer etwaigen Entschärfung – über größere Entfernungen zu transportieren.
Knochentrockener Wald
Auf den problematischen Standort angesprochen, sagte auch der Sprecher der Senatsumweltverwaltung, Jan Thomsen, man werde sich „mit den Sicherheitsfragen beschäftigen, wenn die Brandursache geklärt ist.“ Jedenfalls sei der Wald derzeit „knochentrocken“, so Jan Thomsen. Die Flächen hätten sich durch die vergangenen Dürreperioden nicht erholen können.
Gegen Mittag haben sich Innensenatorin Iris Spranger (SPD), Polizeipräsidentin Barbara Slowik, Landesbranddirektor Karsten Homrighausen und ein General der Bundeswehr vor Ort ein Bild der Lage gemacht. Auch die Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) brach ihren Urlaub ab und fuhr in den Grunewald. Laut Homrighausen arbeiteten alle Behörden gut und eng zusammen, auch mit weiteren Akteuren wie den Berliner Forsten oder dem Stromnetz Berlin kooperiere man.
Von einer Brandbekämpfung könne „noch keine Rede sein“, hatte kurz zuvor ein Mitarbeiter der Feuerwehr der taz gesagt – es gehe zurzeit nur darum, die Schneisen und den Wald rund um den Sprengplatz zu wässern, um ein Übergreifen des Feuers zu verhindern. Laut Homrighausen wird die Wasserentnahme aus der Krummen Lanke und der Havel an der Lieper Bucht vorbereitet. Im Einsatz sind auch zwei Wasserwerfer der Polizei, die an Hydranten betankt werden und innerhalb weniger Minuten rund 10.000 Liter verspritzen können. Sie sollten den Wald befeuchten.
Das Feuer war gegen 3 Uhr am Donnerstagmorgen auf dem Sprengplatz nach mehreren Explosionen entstanden, die von AnwohnerInnen in einem weiten Umkreis wahrgenommen wurden. Der Waldbrand breitete sich dann auf einer Fläche von 1,5 bis 2 Hektar aus. Auch in den Mittagstunden waren immer wieder kleinere Detonationen zu hören. Die Avus und die parallel verlaufende Bahnstrecke sind bis auf Weiteres gesperrt, Wohnsiedlungen seien aber nicht gefährdert, so Feuerwehr und Polizei.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
Sport und Krieg in der Ukraine
Helden am Ball
Bodycams bei Polizei und Feuerwehr
Ungeliebte Spielzeuge
Rechte Gewalt in Görlitz
Mutmaßliche Neonazis greifen linke Aktivist*innen an
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Das Weihnachten danach
Nachhaltige Elektronik
Ein blauer Engel für die faire Maus