Waldbrände: Proteste in Griechenland
Tausende demonstrieren gegen das Fehlen einer Umweltpolitik. Von der Kritik an der Regierung profitieren vor allem die kleineren Parteien.
Die meisten Waldbrände in Griechenland waren am Donnerstag auch dank der Hilfe aus dem Ausland gelöscht oder eingedämmt. Die Einsatzleitung der Feuerwehr gab allerdings noch keine Entwarnung. Nach wie vor sei größte Wachsamkeit angezeigt. Ab heute sollen die Temperaturen auf dem griechischen Festland wieder steigen und örtlich bis zu 40 Grad erreichen. Nach einer ersten Bilanz wurden durch die Feuer dieses Sommers 12 Prozent der gesamten griechischen Waldfläche vernichtet. Die materiellen Schäden bezifferte die griechische Regierung vorläufig mit 1,2 Milliarden Euro.
Unterdessen wächst die Kritik an der Reaktion des Staates auf die Katastrophe. Am Mittwoch protestierten in mehreren Städten Tausende Bürger - ohne Parolen mit schwarzen Hemden -gegen das Fehlen einer Umweltpolitik. Dem Aufruf über ein Blog folgten allein in Athen 15.000 Demonstranten. Der Protest richtete sich gegen die beiden großen Parteien, die Griechenland in den letzten Jahrzehnten beherrscht haben.
Die aktuelle Regierungspartei Nea Dimokratia (ND) und die bis 2004 regierende linkspopulistische Pasok haben, glaubt man den ersten Umfragen nach Beginn der Brände, bei den Wählern an Rückhalt eingebüßt. Dabei liegt die ND nach wie vor deutlich vor der Pasok, die vom kritisierten Versagen der Regierung offenbar kaum profitiert. Das zeigt sich auch daran, dass 55 Prozent der Befragten glauben, die Pasok hätte die Katastrophe auch nicht besser bewältigt.
Die Zahl der unentschiedenen Wähler hat sich nach dieser Umfrage von 19 auf 27 Prozent erhöht. Verbessert erscheinen die Chancen der kleinen Parteien, deren Einzug ins Parlament bislang als unsicher galt. Das Linksbündnis Synaspismos liegt mit 4,5 Prozent deutlich über der 3-Prozent-Grenze und dürfte den Sprung ins Parlament schaffen. In Abwesenheit einer grünen Partei deckt die Linkspartei die ökologischen Fragen am besten ab. Gestärkt scheint auch die rechtsextreme und xenophobe Laos, die bei fast 5 Prozent liegt. Sie profitiert offenbar von der Tatsache, dass fast ein Drittel der Befragten glauben, für die Waldbrände seien finstere Kräfte aus dem Ausland verantwortlich.
Diese Wahrnehmung, die von Regierungsseite inspiriert wurde, werten die Pasok und die linken Parteien als Ablenkungsmanöver. Beflügelt wurden die Verschwörungsfantasien am Mittwoch von einer Stimme, die von der Nation stets beachtet wird, in den letzten Jahren jedoch immer exzentrischer ausgefallen war. Der 82-jährige Komponist Mikis Theodorakis verfasste für die regierungsnahe Zeitung Elevtheros Typos eine Kolumne, in der er den "Kern des Problems" so beschrieb: "Wir haben es mit einem zentralen Hirn, einen Generalstab zu tun, in dem ein Stratege die ,Kampffronten' auf der Landkarte bestimmt." Mit dem Satz, er zittere bei dem Gedanken, dass sich unter den Brandstiftern auch einzelne Griechen befinden könnten, lenkt Theodorakis den Verdacht so eindeutig auf "ausländische Mächte", wie es bislang weder die Regierung noch die rechtsradikale Laos gewagt haben.
Der Regierung wirft Theodorakis lediglich vor, die Verschwörung nicht rechtzeitig aufgedeckt zu haben. In der Presse dominiert seit gestern eine andere Kritik. In der Kleinstadt Pyrgos, nahe dem antiken Olympia, wurde die von der Regierung zugesagte "unbürokratische Hilfe" offenbar auf höchst unorthodoxe Weise umgesetzt. Für die Auszahlung einer Soforthilfe von 3.000 Euro reichten ein Ausweis und die Versicherung, einen Brandschaden erlitten zu haben. In den Schlangen vor den Schaltern der Bankfilialen in Pyrgos entdeckten Einheimische gänzlich unbekannte Gesichter.
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