Wahrheit oder Pflicht : Ai Weiwei auf dem Weg nach Berlin
Ein bizarrer Streit ist um Ai Weiweis Visa für Großbritannien entbrannt. London hat Angaben des chinesischen Künstlers und Dissidenten dazu zurückgewiesen. Berichte, dass Ai das von ihm gewünschte Visum verwehrt worden sei, seien „nicht korrekt“, erklärte das britische Innenministerium am Donnerstag auf Anfrage der Nachrichtenagentur AFP. Der Künstler habe ein Visum erhalten, das ihm die Einreise nach Großbritannien erlaube, und zwar „für die gesamte Aufenthaltsdauer, die er beantragt hat“.
Dem steht entgegen, dass Ai Weiwei ein an ihn adressiertes offizielles Schreiben der britischen Botschaft in Beijing via Instagram ins Netz gestellt hat. Dort ist nun tatsächlich zu lesen, dass er ein sechsmonatiges Geschäftsvisum beantragt habe, sein Visa aber auf die Zeit vom 9. bis 29. September begrenzt worden sei. Grund seien seine falsche Angaben. So sei es bekannt, dass er – anders als angegeben – in China strafrechtlich verurteilt worden sei.
Das ist eine ziemlich gewagte Darstellung der Vorfälle im Jahr 2001, als Ai Weiwei ohne Angabe von Gründen vom Beijinger Flughafen verschleppt und an einem unbekannten Ort festgehalten wurde. Ai Weiwei ist von den Behörden nie formell festgenommen, angeklagt oder gar verurteilt worden. Am 19. September eröffnet in der Royal Academy of Arts in London seine große Werkschau.
Ein deutsches Visum hat der Künstler jedenfalls problemlos bekommen, nachdem ihm die chinesischen Behörden seinen über Jahre entzogenen Pass zurückgegeben hatten. Am Donnerstagnachmittag traf er in München ein. In den kommenden Tagen will er nach Berlin reisen, wo sein sechsjähriger Sohn seit einem Jahr zusammen mit der Mutter lebt und zur Schule geht.
Die Stadt, allen voran die Universität der Künste (UdK) fiebert jetzt seiner Ankunft entgegen. Sie hatte den Regimekritiker wegen seiner mehrmonatigen Verhaftung in China 2011 demonstrativ auf die Einstein-Gastprofessur berufen und hofft nun darauf, dass der 57-Jährige sie antritt. „Bei seinem Aufenthalt in Deutschland würden wir hierüber gern ins Gespräch kommen“, sagte Universitätssprecher Bjoern Wilck am Freitag auf Anfrage. „Die Berufung besteht seit vier Jahren, die Finanzierung ist dank der Einstein-Stiftung Berlin nach wie vor gesichert.“ wbg
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