Wahlrecht in der Hansestadt: 1 Hamburger, 20 Stimmen
Zum zweiten Mal hintereinander wurde in der Hansestadt nach einem neuen Wahlrecht gewählt. Dabei darf ein Wahlberechtigter 20 Stimmen verteilen.
HAMBURG taz | Noch nie konnten die Hamburgerinnen und Hamburger ihren Parteien so auf die Zehen treten. Bei der Wahl zur Bürgerschaft am Sonntag galt ein neues Wahlrecht, nach dem jeder Wahlberechtigte bis zu 20 Stimmen vergeben konnte: jeweils zehn für die Wahl der Bürgerschaft und die Wahl der sieben Bezirksversammlungen. Damit konnten die Wähler nicht nur die Machtverhältnisse in dem jeweiligen Gremium bestimmen, sondern auch welche KandidatInnen ein Mandat erhalten. Die Auszählung wird sich deshalb bis zum Mittwoch hinziehen.
Das Landes- und die Kommunalparlamente werden nach dem gleichen Modus gewählt. Fünf Stimmen dürfen auf die Parteilisten verteilt werden: Sie bestimmen das Sitzverhältnis im Plenum. Mit weiteren fünf Stimmen dürfen die Direktkandidaten der Wahlkreise gewählt werden. Wer ein Wahlkreismandat erringt, zieht auf jeden Fall ins Parlament ein. Die restlichen Sitze werden über die Landes- oder Bezirksliste vergeben. Auch die Listen können die Wähler beeinflussen: Wenn sie statt der Gesamtliste einzelne Kandidaten ankreuzen, können sie diese auf der Liste nach oben wählen.
Das Wahlrecht ist das Ergebnis zweier Volksinitiativen des Vereins Mehr Demokratie. Schon 2004 hatte dieser per Volksentscheid ein Wahlrecht durchgesetzt, welches das Ein-Stimmen-Wahlrecht in Hamburg ablösen und den WählerInnen mehr Einfluss verschaffen sollte. Der CDU-Senat kassierte es 2006, woraufhin der Verein Mehr Demokratie 2009 einen weiteren Volksentscheid erzwang. Um diesen zu vermeiden, haben die Bürgerschaftsparteien und die Initiative das geltende Wahlrecht als Kompromiss ausgehandelt.
Kaum kalkulierbar war im Vorfeld, ob das neue Wahlrecht den Stimmenanteil der Klein- und Kleinstparteien sowie der Einzelbewerber wesentlich erhöht. Am Wahlabend konnten nur die Listenstimmen (Zweitstimmen) ausgezählt werden. Ob es Überhang- und Ausgleichsmandate gibt, wird erst noch ermittelt.
Fest steht, dass so viele wie nie die Briefwahl beantragt haben: fast 19 Prozent. Insgesamt waren rund 1,26 Millionen Wahlberechtigte aufgerufen, drei Monate nach dem Bruch der schwarz-grünen Koalition in der Hansestadt ein neues Landesparlament zu bestimmen.
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