Wahlprüfsteine zur Klimaresilienz: Tore gegen die Flut
Die Initiative „Stadt für Menschen“ hat Klima-Wahlprüfsteine an sieben Parteien geschickt. Die Auswertung bietet auch einige Überraschungen.
„Würden wir eine Wahlempfehlung aussprechen, wäre es eine für die drei grünen Parteien“, formulierte Sprecher Matthias Dittmer. Damit meinte er außer den Grünen die Klimaliste und Volt, die neben SPD, CDU und FDP auf die Fragen zu Klimaresilienz und Stadtumbau geantwortet hatten. Die Linke taucht in der Auswertung nicht auf, weil sie sich als einzige nicht in der Lage sah, innerhalb einiger Wochen zu reagieren.
Ähnliches gilt allerdings auch für die Sozialdemokraten, von deren Antworten man bei „Stadt für Menschen“ sehr enttäuscht war: Die SPD habe „offenbar auf den letzten Drücker Teile ihres Wahlprogramms in den Fragebogen hineinkopiert“, so Dittmer. Zum Teil hätten die Antworten nicht einmal zu den Fragen gepasst, ergänzte sein Mitstreiter Oliver Geheeb. Auf die Frage nach dem Umgang mit katastrophalen Starkregenereignissen habe die Partei angegeben, man werde mit Brandenburg an der Verbesserung der Gewässerqualität von Spree und Co arbeiten.
Positiv hob Geheeb hervor, dass alle befragten Parteien die Gefahren des menschengemachten Klimawandels als reale Herausforderung betrachteten und Maßnahmen gegen Starkregen und Extremhitze ebenso wie eine Aufwertung des Stadtgrüns befürworteten. Allerdings seien die Vorschläge unterschiedlich konkret ausgefallen. Besonders gelte das für den vierten Themenblock, die Pläne zur Verkehrswende: Hier hätten sich SPD, CDU und FDP der Nennung konkreter Maßnahmen „weitgehend verweigert“.
Am Ende steht folgende Bewertung in Schulnoten: Eine 1 für die Klimaliste, eine 2 für Volt und die Grünen, eine 3 für die FDP, eine 4 für die CDU und eine peinliche 5 für die SPD. Die AktivistInnen hoben allerdings einzelne Ideen hervor, mit denen nicht nur die üblichen Verdächtigen punkten konnten.
Beim Thema Starkregen habe sich die Klimaliste mit konkreten Vorschlägen wie dem Bau von Fluttoren für U-Bahnhöfe oder die Verwendung von permeablem, also wasserdurchlässigem Pflaster in Bereichen hervorgetan, in denen eine vollständige Entsiegelung nicht möglich ist. Beim Umgang mit Extremtemperaturen wiederum habe die FDP als einzige Partei die Maßnahme eingebracht, Hitzeschutzräume für die Bevölkerung einzurichten. Die Grünen hingegen forderten die Umwandlung von zwanzig besonders von Hitze betroffenen Straßenzügen zu schattigen, mit Trinkbrunnen und Wasserspielen ausgestatteten „kühlen Meilen“ nach Wiener Vorbild.
Baum-Bewohner-Quotient oder Klimawald?
Als einzige Partei habe Volt nicht nur ein Recht auf Straßengrün befürwortet, sondern das mit der Forderung nach einem Baum-Bewohner-Quotienten verbunden, der dieses Recht konkretisiere. Und auch die CDU bekam ein Lob von „Stadt für Menschen“: für ihre Vision eines „Klimawalds“ auf dem Tempelhofer Feld. Dass die in enger Verbindung mit der Forderung nach einer Randbebauung steht, weiß auch die Initiative. Trotzdem: „Die Diskussion über einen solchen Wald sollte man führen“, fand Matthias Dittmer.
In Ergänzung zu den Wahlprüfsteinen hat „Stadt für Menschen“ auch die Pläne einiger Parteien zum U-Bahn-Ausbau bewertet. Hintergrund ist eine Studie, die von der Initiative selbst Ende 2020 vorgelegt wurde. Ihr zufolge hat der Bau neuer Streckenabschnitte vor allem durch die großen Mengen an verbautem Beton auf viele Jahrzehnte eine negative Klimabilanz.
Auch hier gibt die SPD das schlechteste Bild ab: Fast 1,2 Millionen Tonnen CO2 würde der Bau der im Wahlprogramm geforderten Abschnitte ausstoßen, so „Stadt für Menschen“, und damit sogar die CDU (0,84 Millionen Tonnen) toppen.
Die Grünen fordern im Wahlprogramm keinen U-Bahn-Bau, ihnen wird jedoch der vom Senat beschlossene und von Fraktion und Partei gebilligte Lückenschluss der U3 zum Mexikoplatz angerechnet. Wegen der Kürze dieser Strecke, die auch noch größtenteils offen verläuft, schlägt das aber mit lediglich 68.000 Tonnen CO2 zu Buche.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Juso-Chef über Bundestagswahlkampf
„Das ist unsere Bedingung“
Verein „Hand in Hand für unser Land“
Wenig Menschen und Traktoren bei Rechtspopulisten-Demo
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen