Wahlkreisreform beschlossen: Sturm im Wasserglas
Gemeinsam mit der AfD wettert die Union gegen eine kleine Wahlkreisreform der Ampelkoalition. Dabei verbreitet sie auch Fehlbehauptungen.
Ein erstaunlicher Auftritt angesichts eines eigentlich unspektakulären Vorgangs. Denn die von der Ampelkoalition auf den Weg gebrachte Wahlkreisreform ist realiter nur ein ganz kleines Reförmchen. Die gewichtigste Änderung ist die Umverteilung eines Wahlkreises von Sachsen-Anhalt nach Bayern. Die hat ihren Grund darin, dass die bisherige Verteilung der Wahlkreise auf die Länder nicht mehr deren Bevölkerungsanteil entspricht.
Aufgrund der rückläufigen Bevölkerungsentwicklung in Sachsen-Anhalt reduziert sich dort die Zahl der Wahlkreise von neun auf acht, der bisherige Wahlkreis Anhalt wird aufgelöst. Im Gegenzug bekommt Bayern den neuen Wahlkreis „Memmingen – Unterallgäu“, der aus Teilen der bisherigen Wahlkreise Augsburg-Land, Neu-Ulm und Ostallgäu besteht.
Ansonsten werden in Baden-Württemberg, Hessen, Niedersachsen, Sachsen, Schleswig-Holstein, Thüringen die Beschreibungen von Wahlkreisen geändert, ohne dass das Auswirkungen auf die Wahlkreisabgrenzung hat. Mit diesen Änderungen wird kommunalen Gebiets- und Namensänderungen Rechnung getragen, ein bloß formaler Akt ohne weitergehende Relevanz.
Wettern ohne Grund
Der Ampelgesetzentwurf basiert auf den Vorschlägen der Wahlkreiskommission, eines unabhängigen Sachverständigengremiums. Die sieben Fachleute werden vom Bundespräsidenten eingesetzt, Vorsitzende ist Bundeswahlleiterin Ruth Brand, die Präsidentin des Statistischen Bundesamts in Wiesbaden.
So wirklich Grund zur Aufregung besteht also nicht. Trotzdem wetterten Union und AfD am Donnerstag im Bundestag in trauter Gemeinsamkeit gegen die Wahlkreisreform. „Es geht um politischen Machterhalt“, ereiferte sich der AfD-Abgeordnete Christian Wirth. Das neue Gesetz sei bewusst so gemacht, „dass es der AfD schadet“. Die Rechtsaußenpartei hat das Direktmandat in dem Wahlkreis gewonnen, der in Sachsen-Anhalt wegfallen soll.
Wie Wirth behauptete auch CSU-Mann Alexander Hoffmann, von dem neuen Wahlkreiszuschnitt in Bayern würden die Grünen bevorteilt. Am Montag hatte CDU-Chef Friedrich Merz bereits behauptet, mit der Änderung solle erreicht werden, dass der bayerische Wahlkreis Augsburg-Stadt „nicht zu viele CSU-Wähler hat“ und Claudia Roth „bei der nächsten Bundestagswahl in Augsburg-Stadt ihren Wahlkreis behalten kann“.
Das einigermaßen absurde Tohuwabohu
Das allerdings war eine Falschbehauptung. Denn Roth hat noch nie ihren Wahlkreis gewonnen, sondern zog stets über die grüne Landesliste ins Parlament ein. Von einer von Merz behaupteten „Wahlrechtsmanipulation“ à la USA kann ohnehin nicht die Rede sein. Denn selbst wenn Roth beim nächsten Mal den Wahlkreis gewinnen könnte, wäre das für die Kräfteverhältnisse im Bundestag ohne Belang.
Merz spielte auf das „Gerrymandering“ in den USA an, also das vornehmlich von den Republikanern betriebene Spielchen, Wahlkreise so zuzuschneiden, dass sich dadurch die eigenen Erfolgsaussichten bei einer Wahl erhöhen. Anders als in den USA setzt sich der Bundestag jedoch nicht nach dem Mehrheits-, sondern nach dem Verhältniswahlrecht zusammen. Wer ein Direktmandat gewinnt, ist daher unwichtig dafür, über wie viele Sitze eine Partei im Parlament verfügt. Darüber entscheiden seit einer im März vergangenen Jahres beschlossenen Wahlrechtsreform ausschließlich die Zweitstimmen.
Als „einigermaßen absurd“ bezeichnete die Linksabgeordnete Petra Sitte denn auch das Tohuwabohu der Union. Der SPD-Abgeordnete Sebastian Hartmann forderte CDU und CSU auf: „Zügeln Sie Ihre Sprache.“
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