Wahlkampfstrategie von Martin Schulz: Flüchtlinge sollen sich lohnen
Der SPD-Kanzlerkandidat möchte in der Europa-Politik punkten und Italien in der Flüchtlingskrise entlasten. Ganz neu ist sein Vorschlag nicht.
„Wenn wir verhindern wollen, dass das wieder eintritt, was 2015 eingetreten ist, dass die Länder aus Überlastung sagen, dann lass sie ziehen, dann kann man relativ schnell ausrechnen, wohin sie kommen“, sagte Schulz dem Deutschlandfunk.
Angela Merkel ignoriere das Thema. Er selbst wolle dagegen diese Woche nach Rom reisen, um mit dem italienischen Ministerpräsidenten Paolo Gentiloni zu sprechen. Nötig sei eine „Koalition der Willigen“. Es müssten „jetzt endlich Länder, die bereit sind, Flüchtlinge aufzunehmen, sich erklären, wie viele sie aufnehmen, und gleichzeitig diejenigen, die aufnehmen, aus dem EU-Haushalt Geld bekommen“, sagte Schulz. Durch den Anreiz fiele das Argument weg, die Versorgung der Flüchtlinge sei zu teuer.
Gleichzeitig wiederholte Schulz eine Forderung aus den vergangenen Wochen: Wer sich innerhalb der EU weiterhin weigere, anderen Mitgliedsländern Flüchtlinge abzunehmen, müsse finanziell bestraft werden. Diesen Staaten möchte Schulz den Zugang zu EU-Geldern verwehren.
Die EU hatte eigentlich schon im Jahr 2015 ein Umverteilungsprogramm beschlossen, das Italien und Griechenland entlasten sollte. Einem Quotensystem folgend, sollten die übrigen EU-Mitglieder den beiden Ländern ursprünglich 160.000 Flüchtlinge abnehmen.
Seehofer fordert wieder eine Obergrenze
Dass dieses System bis heute schlecht funktioniert, hat mehrere Gründe: Asylverfahren laufen schleppend, Flüchtlinge wollen sich ihr Aufenthaltsland nicht vorschreiben lassen, EU-Staaten verweigern die Aufnahme oder erfüllen ihre Quote nicht. An diesem letzten Punkt knüpft Schulz mit seinem Vorschlag an.
Einen ähnlichen Vorschlag unterbreitete im Frühjahr schon die maltesische Regierung im Rahmen ihrer EU-Ratspräsidentschaft. Sie regte damals an, EU-Staaten 60.000 Euro für jeden Flüchtling zu zahlen, den sie über ihre Quote hinaus aufnehmen. Bereits im vergangenen Jahr hatte die Sozialdemokratin Gesine Schwan finanzielle Anreize vorgeschlagen. Ihr System sieht allerdings vor, dass einzelne Kommunen Flüchtlinge aufnehmen und dafür belohnt werden.
CSU-Chef Horst Seehofer äußerte sich am Sonntag ähnlich wie Schulz. Mit Bezug auf die Situation in Italien sagte er der Welt, die Asylverfahren müssten „spätestens an der EU-Außengrenze“ stattfinden. „Diejenigen, die Anspruch auf Schutz haben, müssen dann gerecht in Europa verteilt werden.“
Durch welche Art von Anreizen er andere EU-Länder von der Flüchtlingsaufnahme überzeugen möchte, sagte Seehofer nicht. Stattdessen wiederholte er seine Forderung nach einer Obergrenze für Deutschland: „Wir sind der Auffassung, dass wir in Deutschland nicht mehr als 200.000 Flüchtlinge jährlich verkraften können.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
Nach der Gewalt in Amsterdam
Eine Stadt in Aufruhr
+++ Nachrichten im Nahost-Krieg +++
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu und Hamas-Anführer
Die Wahrheit
Der erste Schnee
James Bridle bekommt Preis aberkannt
Boykottieren und boykottiert werden