piwik no script img

Wahlkampfauftakt in NeuseelandWeniger Corona, mehr Jacinda

100 Tage ohne neue Corona-Fälle: Die neuseeländische Premierministerin Jacinda Ardern reitet auf einer Erfolgswelle Richtung Wahlsieg.

Jacinda Ardern bei einer Pressekonferenz zur Coronapandemie in Wellington im Juni 2020 Foto: Mark Mitchell/ap

Sydney taz | Eine bessere Nachricht zum Auftakt des Wahlkampfs hätte es für sie wohl kaum geben können: Am Wochenende, an dem Neuseeland den hundertsten Tag ohne neue Corona-Infektionen erlebte, hat Premierministerin Jacinda Ardern ihr Programm für die Parlamentswahlen am 19. September bekanntgegeben.

Die 40-Jährige versprach, im Fall eines Wahlsieges ihrer Labour-Partei Unternehmen bei der Rekrutierung von mindestens 40 000 Beschäftigten finanziell zu unterstützen.

Die Hilfe solle an jene gehen, die von der Coronakrise betroffen seien und denen Langzeitarbeitslosigkeit drohe. Auch wolle Ardern Arbeitslosen helfen, ein Unternehmen zu gründen. Dafür sollten sie im Gegenwert des Mindestlohns für bis zu 30 Stunden pro Woche unterstützt werden.

Die Ankündigung kam am Wochenende, als der oberste Vertreter des Gesundheitsamtes, Ashley Bloomfield erklärte, hundert Tage ohne neue Coronainfektion seien „ein wichtiger Meilenstein. Jedoch wissen wir alle, dass wir uns keine Nachlässigkeit erlauben dürfen“.

Appell an die Wachsamkeit

Neuseeland habe von anderen Ländern gelernt, wie rasch sich das Virus wieder an Orten ausbreiten könne, wo es bereits unter Kontrolle gewesen sei, so Bloomfield. „Wir müssen darauf vorbereitet sein, neue Fälle in Neuseeland schnell auszumerzen.“

In dem Land mit fünf Millionen Einwohnern sind von bisher 1.569 offiziell Infizierten 22 an den Folgen von COVID-19 gestorben. Am Sonntag gab es nur noch 23 aktive Fälle. Die hätten sich aber nicht im Land angesteckt, sondern seien allesamt Rückkehrer aus dem Ausland, die bei der Einreise getestet wurden und anschließend in Quarantäne mussten.

Die positive Entwicklung bestätigt das Urteil von Experten, demnach die harte Linie der neuseeländischen Regierung nach Ausbruch der Pandemie korrekt gewesen sei. Ardern hatte rasch strikte Regeln erlassen, was die Bewegungsfreiheit und das Verhalten der Bürger in der Öffentlichkeit betraf.

Neuseelands Grenzen bleiben geschlossen

Im März verhängte sie eine Ausgangssperre. Die Grenzen des Landes bleiben von wenigen Ausnahmen abgesehen geschlossen. Beobachter schätzen, dass Touristen frühestens im ersten Halbjahr 2021 wieder einreisen dürfen.

Die Premierministerin hatte den Kampf gegen das neuartige Coronavirus wiederholt als gemeinsame Aufgabe für ein „fünf Millionen Köpfe zählendes Team“ bezeichnet. Dieser inklusive Lösungsansatz für ein potenziell katastrophales Problem hat ihr offenbar selbst unter Kritikern neue Freunde geschaffen.

Hatten Umfragen vor der Abschottung der Landesgrenzen noch auf einen knappen Wahlausgang schließen lassen, verschob sich die Wählergunst seither weiter in Richtung von Arderns sozialdemokratischer Labour-Partei. In der letzten Befragung sprachen sich 60 Prozent der Wähler für Labour aus. Die konservative Nationale Partei unter ihrer neuen Chefin Judith Collins verlor dagegen an Beliebtheit.

Regiert Labour bald allein?

Labour ist die stärkste Partei in einer Dreierkoalition. Falls die Partei die in den Umfragen gezeigte Beliebtheit aufrecht erhalten kann und 50 Prozent der Stimmen erhält, könnte sie nach der Wahl allein regieren.

Ardern war eine kaum bekannte Abgeordnete, als sie kurz vor der Wahl 2017 in die Labour-Führung gedrängt wurde. Damals wurden ihr nur geringe Siegchancen eingeräumt. Doch dank ihrer rhetorischen Schlagfertigkeit, ihrer versöhnlichen Politik und ihrer Führungsqualitäten vor allem in Krisensituationen wie dem Terroranschlag in Christchurch im März 2019, dem katastrophalen Ausbruch des Vulkans White Island im Dezember 2019 und während der Coronapandemie gilt Ardern inzwischen als eine der beliebtesten Politikerinnen weltweit.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

2 Kommentare

 / 
  • Schade, dass es nicht mehr von der Sorte gibt. Neuseeland hat Glück mit dieser begabten, menschlichen und auch noch anständigen Politikerin.

  • 0G
    05838 (Profil gelöscht)

    Solche Frauen braucht die deutsche Politik.